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Die Melancholie des Harfners.
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Iphigenie, Sodann findet sich in der Schilderung des geisteskranken Harfenspielers eine noch nicht erwähnte Stelle, die mir besonderer Betrachtung werth zu sein scheint. Wie gesagt, wird der kranke Harfner zu einem Landgeistlichen gebracht, der sich mit der Behandlung Geisteskranker befasst. Dieser, der sich sehr verständig über die Therapie ausspricht, zieht für das Physische„einen denkenden Arzt“ zu Rathe. In unserem Falle ist es ein kleiner ältlicher Arzt, und er erzählt dem Wilhelm Meister:„Nie hab’ ich ein Gemüth in einer so sonderbaren Lage gesehen. Seit vielen Jahren hat er an nichts, was ausser ihm war, den mindesten Antheil genommen, ja fast auf nichts gemerkt; bloss in sich gekehrt, betrachtete er sein hohles leeres Ich, das ihm als ein unermesslicher Abgrund erschien. Wie rührend war es, wenn er von diesem traurigen Zustande sprach! Ich sehe nichts vor mir, nichts hinter mir, rief er aus, als eine unendliche Nacht, in der ich mich in der schrecklichsten Einsamkeit befinde; kein Gefühl bleibt mir als das Gefühl meiner Schuld, die doch auch nur wie ein entferntes unförmliches Gespenst sich rückwärts schen lässt, Doch da ist keine Höhe, keine Tiefe, kein Vor noch Zurück; kein Wort drückt diesen immer gleichen Zustand aus, Manchmal ruf’ ich in der Noth dieser Gleichgültigkeit: Ewig! ewig! mit Heftigkeit aus, und dieses seltsame unbegreifliche Wort ist hell und klar gegen die Finsterniss meines Zustandes. Kein Strahl einer Gottheit erscheint mir in dieser Nacht; ich weine meine Thränen alle mir selbst und um mich selbst.
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