Wilhelm Meister.
Nichts ist grausamer als Freundschaft und Liebe; denn sie allein locken mir den Wunsch ab, dass die Erscheinungen, die mich umgeben, wirklich sein möchten. Aber auch diese beiden Gespenster sind nur aus dem Abgrunde gestiegen, um mich zu ängstigen und um mir zuletzt auch das theure Bewusstsein dieses ungeheuren Daseins zu rauben.
Wenn sich ihm etwas aufdrängt, das ihn nöthigt, einen Augenblick zu gestehen, eine Zeit sei vergangen, so scheint er wie erstaunt, und dann verwirft er wieder die Veränderung an den Dingen als eine Erscheinung der Erscheinungen.“
Das ist eine Schilderung, die man nicht erfinden kann. So, wie Goethe die Klagen des Melancholischen wiedergiebt, könnten sie in einer Krankengeschichte stehen. Es scheint mir sicher zu sein, dass Goethe hier eine Vorlage gehabt hat. Vielleicht hat ein Beobachter diese Reden wegen ihres psychologischen Interesses aufgeschrieben und die Notizen Goethe übergeben. Historische Grundlagen für solche Vermuthungen habe ich freilich bisher nicht gefunden, ebensowenig wie dafür, ob Goethe thatsächlich mit psychiatrisch thätigen Landgeistlichen in Berührung gekommen ist. Unwahrscheinlich aber ist meine Vermuthung nicht, denn die Reden des kranken Harfners sind so charakteristisch, dass sie die Aufmerksamkeit gerade des Sachkundigen erwecken müssen. Es handelt sich hier nicht um Klagen, wie man sie von jedem Melancholischen hören kann, sondern um etwas ganz Besonderes, nemlich um das erst in der neuesten Zeit von französischen