Goethe über Lenz.
seine Beobachtungen sich zu unterhalten liebte. Dieser krankhafte Zug habe zu der Wertherstimmung gehört, sei aber bei Lenz besonders ausgeprägt gewesen.(An einer anderen Stelle sagte Goethe:„Wenn der Mensch über sein Physisches oder Moralisches nachdenkt, findet er sich gewöhnlich krank.“) Eine besondere Eigenthümlichkeit des Lenz sei sein Hang zur Intrigue gewesen. Er habe sich dabei nicht erreichbare Ziele vorgesetzt, sondern immer etwas Fratzenhaftes. Liebe und Hass seien bei ihm imaginär gewesen, er habe dem, den er liebte, nicht genützt, dem, den er hasste, nicht‘ geschadet. Vielleicht ist Goethes Ausdruck Intrigue nicht ganz passend; das, was er meint, ist eigentlich mehr Phantasterei oder die Sucht, Phantastisches in das Leben hinein zu tragen. Ein Beispiel
ist Lenzens thörichtes Gerede über seine Liebe zu Cornelie Schlosser. Goethe rühmt weiterhin Lenzens
aus wahrhafter Tiefe und unerschöpflicher Productivität hervorgehendes Talent, in dem Zartheit, Beweglichkeit und Spitzfindigkeit mit einander wetteiferten, das aber, bei aller seiner Schönheit, durchaus kränkelte. Trotz grosser Züge und lieblicher Zärtlichkeit in seinen Arbeiten habe er sich von albernen und barocken Fratzen nicht losmachen können. Goethe habe darauf gedrungen, Lenz möge sich aus dem formlosen Schweifen zusammenziehen und an die„kunstgemässe“ Fassung des Producirten denken. Lenzen aber sei es nur wohl 8Cwesen, wenn er sich grenzenlos im Einzelnen verfloss und sich an einem unendlichen Faden ohne AbSicht hinspann. Rühriges Nichtsthun sei ihm beson