Ueber das vierte Buch.
Charakter sei vererbt. An jeder Stelle zeigt sich der Widerspruch zwischen Schopenhauers eigenem, auf Erfahrung gerichtetem Denken und seiner aufgenommenen Scholastik. Wo Schopenhauer selbst spricht, da ist der Mensch das Product seiner Eltern, der Charakter wird vom Vater geerbt, und zwar„in seinen Grundzügen“. Der Charakter ist also etwas Gewordenes, aus Theilen Gebildetes. Kommt aber der fremde Geist in Schopenhauer zur Herrschaft, so wird mit Kants Sätzen der indischen Schwärmerei zugestrebt. Das, was Kant und Schopenhauer zum intelligiblen Charakter trieb, ist offenbar der Gegensatz zwischen unserem Bewusstsein der Aseität und der Einsicht a posteriori, dass wir ganz und gar abhängig sind. Im Grunde handelt es sich um das Wunder der Individuation. Wir sind die Kinder unserer Eltern, ein Gemisch ihrer Eigenschaften, wir sind ein Theil der Erde, wie ein Stück unseres Leibes unser Theil ist, die Stoffe der Erde setzen uns zusammen und fliessen sozusagen fortwährend durch uns durch— und trotzdem sagen wir zu uns Ich, trotzdem fühlen wir uns souverän und erblicken in unseren Handlungen unser alleiniges Eigenthum. Alle Belehrung ändert an unserem Gefühle der Freiheit oder Unabhängigkeit nichts, gleich wie wir trotz unserem Wissen von der Drehung der Erde mit unseren Augen die Sonne auf- und untergehen sehen. Man kann also in dem Gefühle der Freiheit eine Täuschung sehen, die in der Natur der Dinge liegt und zur Zweckmässigkeit der Natur gehört. Will man das nicht, so bliebe nur übrig, in jenem Widerstreite
Möbius, Werke IV.