Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
236
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Bemerkungen über Schopenhauers Lehre.

lassung den Fall, dass die Reflexion der Moralität den Weg treten kann. Es kann Einer das Gute thun, nur um sein Mitleid los zu werden, oder um des Ver­gnügens willen, das ihm die Befriedigung der Anderen macht. Grosse Bedeutung hat die Sache nicht, weil beim Handeln schliesslich doch das Herz den Aus­schlag giebt, und weil Der, der nur sein Mitleid los sein will, doch Dem vorzuziehen ist, der kein Mitleid empfindet. Ich komme später noch auf diese Dinge zurück.

Wichtiger ist es, darauf hinzuweisen, dass Schopen­hauers Lösung des moralischen Problems ihn in Wider­streit bringt mit seiner Lehre von der Zerreissung des Menschen in Wille und Intellect. Er findet, dass das Mitleid die Vorstufe der metaphysischen Erkenntniss ist. Das Mitleid ist Sache des Willens, die Erkenntniss, dass derselbe Wille in Allem lebt, Sache des Intellects. Gerade hier hätte Schopenhauer einsehen müssen, dass die Vernunft schon im Willen steckt, dass es mit seiner Seelen-Chemie nichts ist. Gefühlt hat er die Sache offenbar, denn er sucht im zweiten Bande des Haupt­werkes die Schwierigkeit auf eine sehr wunderliche Weise zu beseitigen.Es scheint vielmehr[heisst es dort], dass die erforderte Durchschauung des principii individuationis in Jedem vorhanden sein würde, wenn nicht sein Wille sich ihr widersetzte, als welcher ver­möge seines unmittelbaren, geheimen und despotischen Einflusses auf den Intellect, sie meistens nicht auf­kommen lässt; sodass alle Schuld zuletzt doch auf den Willen zurückfällt Der böse Wille!