Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
251
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Ueber das vierte Buch.

ordentliche kann, wie man sagt, begeistern, in Schwung versetzen und zu einer Höhe tragen, die vorher und nachher nicht erreicht wird. Aber die Einmalige Willensverneinung ist denn doch nur Schein. Der Verneinende hört nicht auf zu leben, er verschwindet nicht, was er nach Schopenhauers Lehre von Rechts­wegen müsste, vielmehr muss sich an die Heiligung (oder das Offenbarwerden des heiligen Charakters) ein heiliges Leben anschliessen. Ueber die Möglichkeit der Charakterveränderung durch Einwirken der Er­fahrung(nicht durch Alter und Krankheit) scheint des­halb das Urtheil schwierig zu sein, weil man weder Anderen noch sich selbst ins Herz sehen kann, und weil nie dieselben Bedingungen wiederkehren. Ge­nauer gesagt, es zweifelt eigentlich niemand an der Veränderlichkeit des Charakters, sondern nur die Ver­änderung zum Besseren steht in Frage. Denn die Erfahrung über den Altersverfall, über das Verderben durch Hunger, durch Gifte u. s. w. spricht deutlich genug. Auch kann ja gar nicht bestritten werden, dass sich der Mensch fortwährend ändert; nicht nur von aussen gesehen, sondern im psychologischen Sinne. Nur kann uns das nicht viel helfen, auch physiologische Betrachtungen sind hier nutzlos, denn niemand kann uns sagen, ob alle die thatsächlichen Veränderungen die fragliche Veränderung zum Guten in sich schliessen können. Man weist darauf hin, dass Belehrungen und Predigten die Leute nicht besser machen. Das möchte sein, obzwar man es nicht genau weiss. Indessen bietet das Leben nicht nur