Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
252
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Bemerkungen über Schopenhauers Lehre.

theoretische Belehrung, sondern auch Schmerzen und Freuden. Dass die Reue ganz fruchtlos sei, kann man behaupten, aber schwerlich wahrscheinlich machen. Auch muss man bedenken, dass man Gedanken und Gefühle nicht wie chemische Stoffe scheiden kann, dass mit der von Allen zugegebenen Entwickelung der Intelligenz eine gewisse Aenderung des Gefühls­lebens verbunden sein muss. Vielleicht darf man auch die Uebung heranziehen. Sicher kann jede Fähigheit durch Uebung gesteigert werden. Das musikalische Gehör z. B. kann unglaublich fein werden. Freilich reicht bei Jedem die Steigerung nur bis zu einer ge­wissen Grenze, und man kann sagen, durch Uebung sei nur die von vornherein gegebene Unterschieds­empfindlichkeit entfaltet worden. Nimmt man alles zusammen, so scheint mir der Glaube gestattet zu sein, dass auch im individuellen Leben nicht nur das moralische Verhalten, sondern auch dessen Grund­lage, die Güte des Herzens etwas wachsen könne. Viel wird es auf keinen Fall sein, aber auch Wenig wäre tröstlich.

Ob der einzelne Mensch moralisch etwas besser werden könne, das ist und bleibt eine schwer zu ent­scheidende Frage, ob die Menschheit es werden könne, das ist erst recht schwer zu entscheiden. Schopen­hauer sagt auch hier ohne Weiteres Nein, weil er in Erinnerung an die Erkenntnisslehre von einer Ent­wickelung des Realen nichts hören will. Später giebt er eine solche zu, aber in einem wunderlichen Sinne. Er meint, immer und immer wieder werde dem Willen