Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
258
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Bemerkungen über Schopenhauers Lehre.

die Erkenntniss der Nichtigkeit alles Strebens und durch das Leid hindurchführt. Nur ist ihm der reli­giöse Pessimismus unter den Händen entartet. Die Religion kümmert sich nicht um die Rechnerei, ob mehr Lust oder mehr Unlust in der Welt sei, sie setzt nur voraus, dass der Mensch erfahren habe, auf dem natürlichen Wege sei das Glück nicht zu finden. Für den Glücklichen ist eigentlich die Religion nicht da, an die Mühseligen und Beladenen ergeht der Ruf. Die Welt im religiösen Sinne ist da, wo jeder das Seine sucht, durch Befriedigung egoistischer Wünsche glück­lich zu werden, hofft. So lange wie der Mensch in der Beschränkung auf sein Ich sich befriedigt fühlt, so lange wie er die Welt bejaht, braucht und versteht er die Religion nicht. Erst wenn er entweder durch persönliches Unglück oder durch die Erkenntniss, dass das sogenannte Glück keine Befriedigung gewährt, dass die Welt den Frieden nicht hat, im religiösen Sinne Pessimist geworden ist, die Welt verneint, erst dann ist ihm der andere Weg offen. Wirf Dein Ich fort, gieb Dich ganz hin, verneine Deinen Willen, heisst die Aufforderung. Folgt der Mensch dem Rufe, so findet er zu seinem Erstaunen, dass er sehr gut dabei fährt, dass in eben dem Grade, wie es ihm ge­lingt, sich zu vergessen, sich in das zu versenken, was er nicht ist, er an Glück gewinnt. Schopenhauer hat mit lebhaften Worten das Glück der Willensbefreiung im dritten Buche gepriesen; auch bei diesem willens­freien Erkennen handelte es sich nicht um Aufhebung des Willens überhaupt, sondern um Vergessen des