Bemerkungen über Schopenhauers Lehre.
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überstehen. Die Religion wendet sich an Alle; wenn nur die paar Heiligen in Betracht kämen, wäre der Erfolg recht gering. Das eben widerlegt den landläufigen Pessimismus am besten, dass, wenn nicht Alle, doch Viele ein Bischen Heiligkeit und damit Antheil an dem wirklichen Glücke erreichen können. Es ist damit dem Leben sein ernster, ja bedenklicher Charakter nicht genommen, aber es wird einem Felde gleich, auf dem rothe Blumen das einförmige Gelb unterbrechen. In den verschiedensten Formen und Graden tritt die Selbstverleugnung auf, und wo sie ist, da ist auch Nirwana. Ja, Schopenhauer lehrt, im Gegensatze zu anderen Stellen, am Schlusse des Ergänzungsbandes selbst, dass allmählich die Güte in Heiligkeit übergehe, dass, je mehr Gerechtigkeit und Liebe wachsen, um so mehr auch Entsagung, Entbehrung und freiwillig übernommenes Leiden sich einstellen. Führt die Rechtschaffenheit allmählich zur Selbstverleugnung, so führt sie auch zur Heiligkeit. Je mehr das Mitgefühl sich entwickelt, um so verwandter wird es dem Mysticismus, seine eigene Natur sozusagen treibt es zur Frömmigkeit hin. Moralität und Heiligkeit sind somit durch Zwischenglieder verbundene Stufen. Moralität und geringe Grade der Heiligkeit sind dasselbe von verschiedenen Stellen aus gesehen. Moralität kann ohne bewusste Selbstverleugnung bestehen, diese setzt die Moralität voraus. Ein Missverständniss könnte insofern entstehen, als jemand behaupten könnte, die religiösen Handlungen seien nicht moralisch, da sie um der eigenen Seligkeit willen ge