Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
268
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Bemerkungen über Schopenhauers Lehre.

reichen kann, ist das, dass er, mit Schopenhauers Worten zu reden, das principium individuationis mehr oder weniger durchschaut, die Schranken der Indivi­dualität durchbricht. Wir dürfen glauben, dass diese schöne und seltene Blüthe des Menschenthums mit zu den Zwecken des Lebens gehöre, aber dass sie allein der Zweck des menschlichen Daseins sei, das ist unglaublich. Das Bewusstsein, dass die Moralität oder die Religiosität der Gipfel unseres Daseins ist, mag uns zu dem Gedanken führen, dass moralische Zwecke durch das Ganze gehen, dass die Durch­brechung der mit der Individuation gegebenen Schran­ken eine über unser Leben hinausreichende Bedeutung habe, aber die einseitig moralisch-religiöse Auffassung des Lebens und die damit verbundene Missachtung der natürlichen Vorgänge im thierischen und im mensch­lichen Leben ist eine Ueberspannung, die zu nichts Gutem führen kann.

In der Heilsordnung ist nicht mehr von der plötz­lichen Wiedergeburt die Rede, sondern vom allmäh­lichen Mürbemachen des Menschen durch das Un­glück. Auch hier ist der Antheil des Motives am Erfolge unrichtig bestimmt. Die einfachste Beobach­tung zeigt doch, dass das Unglück nur dann veredelt, wenn es einem Edlen begegnet, dass es die Mehrzahl nur noch mehr verderbt. Ueberdem ist natürlich die Voraussetzung der ganzen Rechnung falsch, da die meisten Menschen ihr Leben durchaus nicht als ver­fehlt ansehen, sondern im Grossen und Ganzen mit ihm zufrieden sind. Viel richtiger war die frühere

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