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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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allgemeineren Gültigkeit gehoben. Mit innerer, wachsender Freude fühlt Spinoza , daß er sich den jungen, klugen, ehrgeizigen Hofmann gewonnen hat, daß der Boden bereit ist, daß Leibniz nun mit freierem Eifer annehmen wird, worauf er seit Jahren begierig ist. Und Leibniz selbst hat ein gar nicht triumphierendes, sondern nur ein erfreutes Gefühl, als er Spinoza zum Schrank gehen und ein dickes Manuskript herausholen sieht. Es ist dieEthik, die Tschirnhaus ihm in Paris nicht zeigen durfte und die Spinoza ihm nun selbst bringt.

Spinoza legte das Manuskript auf den Tisch vor Leibniz und ging aus dem Zimmer. Kaum hatte er die Tür geschlossen, als Leibniz aus dem Neben­raum das Surren des Schleifrades hörte, dann das schwere, schmerzliche Aufhusten Spinozas und dann nur noch das Surren. Spinoza schliff neben­an seine Linsen, und Leibniz hatte nun Zeit, das Buch zu lesen, worauf er so überaus neugierig seit Jahren war.

Aber nun war es ihm fast, als sollte er es nicht lesen. Er war von Spinozas Bericht noch zu sehr durchwühlt. Nicht aufgeregt, merkwürdigerweise hatte er Spinozas tiefes Erschrecken und quälen­des, auch noch in der Erinnerung qualvolles Zorn­

und Schamgefühl mit geringer, kühler Teilnahme

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