Teil eines Werkes 
Bd. 3, Teil 4 (1939) Die Kunstdenkmäler des Kreises Niederbarnim / bearb. von Heinrich Jerchel ...
Entstehung
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Oranienburg 177

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die beiden mittleren gekuppelt find eher der Wirklichkeit zu entſprechen. Die Ausſchmuͤckung der Faſſade macht Gebrauch von dem allgemein hollaͤndiſchen Formgut der Zeit, den Feſtons unter den flachgerahmten Fenſtern und offenbar plaſtiſchem Giebelzierat. Die drei Statuen auf dem Giebel fehlen im Gemaͤlde, das dafür den Turm um eine Wetterfahne reicher zeigt. Hier laͤßt ſich ſchließlich die urſpruͤngliche farbige Geſtal­tung ableſen: wie ſchon zum Teil der Bau Johann Georgs und ſpaͤter das erweiterte Schloß war Memhardts Bauwerk grau geputzt.

Die dem hollaͤndiſchen Geſchmack entgegenkommende, inſelartige Abſonderung des Komplexes iſt aus beiden Abbildungen des Baues der Kurfuͤrſtin uͤbereinſtimmend zu erſehen, ebenſo die Umfaſſung des Hauptgebaͤudes durch eine eingeſchoſſige, flachgedeckte Galerie mit einer ſtaͤrker vortretenden, reich geſtalteten Tordurchfahrt zum Hof und zwei das Corps de Logis flankierenden zweigeſchoſſigen Pavillons. Im einzelnen ſchwankt die architektoniſche Behandlung der Galerien mit Blendboͤgen auf dem Gemaͤlde, glatt mit ſchlichten Fenſtern im Stich ſowie namentlich der Pavillons. 1656 werden die Pavillons zuerſt ausdrücklich erwähnt; fie waren indes gewiß ſchon länger fertig. Die auffallend ſtarken Mauern der erhaltenen Nordpavillons legen die Vermutung nahe, daß der urſpruͤngliche Plan an dieſer Stelle geändert, ein größeres Gelände ange­ſchuͤttet und bereits damals zwei niedrige Pavillons gegen Norden angelegt wurden; Gewißheit uͤber dieſen Punkt iſt anſcheinend nicht zu erlangen. Daß die Anlage ſchon unter Luiſe eine groͤßere Ausdehnung einnahm, als ſie der Kupferſtich von 1652 zeigt, waͤre bei der Laͤnge der Bauzeit und angeſichts der Tatſache, daß die Kurfuͤrſtin auch den Luſtgarten weit groͤßer hinterließ, nicht verwunderlich.

Beſonders eingehend berichtet der Briefwechſel der Kurfuͤrſtin mit Schwerin uͤber Arbeiten im Jahre 1663, in dem die letzten Ergaͤnzungen beſonders an der Inneneinrichtung des Schloſſes vorgenommen wurden. Naͤ­heres weiß man über die Ausſtattung der Porzellankammer(vgl. oben Seite 175), ferner uͤber den Großen Saal, deſſen Decke ſich noch bis ins 19. Jh. hinein erhalten hatte(Boeck S. 26), endlich uͤber die Portraͤtgalerie.

Das zweite Schloß Oranienburg, im weſentlichen der heute beſtehende Bau, entſtand unter Kurfuͤrſt Friedrich III., dem erſten preußiſchen König, durch Umbauten und Erweiterungen des Memhardtſchen Baues. Seit den Jahren 1688/89 ſetzt als Folge des Regierungsantritts eine neue Bautätigkeit ein. Seit 1690 iſt die Beteiligung Joh. Arnold Nerings zu belegen, der im Jahre darauf zum kurfuͤrſtlich⸗brandenburgiſchen Ober­baudirektor beſtallt wurde.

Man iſt wohl berechtigt, das Schloß im vollſten Umfange als ſein Werk zu bezeichnen, denn von Memhardts Bau find wirklich nur die Mauern und die Geſamtproportion des Corps de Logis übrig geblieben. Aus dem Yzhollaͤndiſchen/ Bau wurde, dem Zuge der Zeit folgend, einitalieniſcher⸗ gemacht. Stoͤrend fuͤr dieſe Abſicht wirkten alle den Vertikalismus betonenden Elemente, hauptſaͤchlich Giebeldreieck und Turm; dieſer wurde entfernt, jenes durch eine hohe Attika erſetzt, zu der hin nun der umgitterte Altan eine Bruͤcke erhielt. Die Hauptfaſſade gliedert Nering durch reiche horizontale Werkſteingeſimſe in das ſchlichte Sockelgeſchoß, einen 488 folgenden doppelgeſchoſſigen Teil und das Dachgeſchoß, das die Attika traͤgt. Das mit dem erſten in der­ſelben Pilaſterordnung liegende zweite Obergeſchoß iſt jenem an Bedeutung ganz untergeordnet, die Pilaſter und breiteren Eckblenden verſchleiern das alte Riſalit; die Hoͤhenbewegung der Pilaſter wird außerdem durch das Band zwiſchen den Fenſtern der beiden Geſchoſſe abgeſchwaͤcht. Der Portalvorbau in der Mitte legt den großen Maßſtab fuͤr die Betrachtung der ganzen Faſſade feſt; im Rhythmus der Fenſterverdachungen des Hauptgeſchoſſes mit der reichen Balkontuͤr in der Mitte ſteigert ſich die zentrale Kompoſition. Das Attika­geſchoß erſcheint als angemeſſener Aufſatz, die maͤchtige Attika ſelbſt klingt durch die zierlichen Figuren wieder leichter aus. Ein beſonderer Kunſtgriff find die beiden großen Voluten, die das Attikageſchoß ſo in die Faſſade hinuͤberleiten, daß feine wenig guͤnſtige Proportion hinter der die ganze Anſicht nach oben abſchließenden Funktion zuruͤcktritt. Die Beherrſchung der Mittel und ihre Anwendung, um einen vorhandenen Baukörper nach einem neuen aͤſthetiſchen Prinzip umzumodeln, iſt ſchlechthin meiſterhaft und waͤre allein imſtande, einen hohen Begriff von Nerings Kunſt zu geben. Von dem plaſtiſchen Schmuck der Faſſaden haben ſich nur die 484- 486 vier Attikafiguren und die beiden auf der Verdachung der Balkontuͤr ſitzenden weiblichen Gewandfiguren erhalten. Das von ihnen gehaltene koͤnigliche Wappen iſt verſchollen; ihm hat offenbar auf der Hofſeite das

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