246 Vierraden(Geſchichte).
Das älteſte Siegel aus dem 16. Jahrhundert zeigt eine das ganze Rund des Siegels ein: nehmende gefüllte Roſe(Abb. 154). Von 1612 ab iſt der Schild mit der Roſe begleitet von Palmzweigen und von einer Krone überhöht, dem Zeitgeſchmackentſprechend(Abb. 155). Eine Variante zeigt das„Sigillum ecclesiae Vierradensis“: die Roſe am beblätterten Stengel.
Wie wenig ſelbſt die fürſorgliche Regierung ihrer Gründer (bis 1609) die neue Stadt zu heben vermochte, zeigt der Umſtand, daß ſie 1610 zum Aufgebot nur 9 Mann zu ſtellen imſtande war. Der Krieg brachte die Stadt an den Abgrund des Verderbens. 1648 waren nur 15 Häuſer bewohnt, 58 eingeäſchert oder wüſt. Ihr Schickſal ſchien beſiegelt. Gar beweglich klingen die Beſchwerden der„armen und noch weinigen Rat und Bürgerſchaft“, die in der Abb. 154. Älteſtes Schwedenzeit Hab und Gut verloren hatte und noch 1660 und 1674 Siegel der Stadt über unerſchwingliche Kontributionen und deren Rückſtände aus dem Vierraden 16. Jahr- Kriege, über Durchzüge und Einquartierungen klagte. Erſt das groß,, zügige„Retabliſſement“ der Hohenzollern vermochte Abhilfe zu Zeichnung Voßbergs 07979" u ö ö 5
im GSA.) ſchaffen. Das Rote Vorwerk wurde parzelliert und den Bürgern überlaſſen. Neues Leben brachten franzöſiſche, pfälziſche und ſchweizeriſche Koloniſten in die Stadt, auf die noch heute die Namen Beccard, Menanteau, Bettac, Dejardin in der Bürgerſchaft hinweiſen(1697: 10, 1700: 37, 1703: 52 Seelen). Sie brachten den Tabakbau mit, der noch heute den Haupterwerb der Stadt bildet. Eine Ablöſung der Dienſte wie in Schwedt konnte 1671 jedoch nicht ſtattfinden, da die Bürger bei ihrer Verarmung die dafür geforderten Geld— leiſtungen nicht aufbringen konnten. 1692 waren in der Stadt 50 Bürgerſtellen, 18 mit Braugerechtigkeit, 20 Ackerleute, 12 Handwerker und Tagelöhner. Immernoch lagen 22 Stellen wüſt)).
Der enge Nahrungsſpielraum, der einen rückſichtsloſen Exiſtenzkampf hervorrufen mußte, konnte auf die Dauer nicht ohne ſchlechten Einfluß auf den Cha— rakter der Bevölkerung bleiben. In eigentümlicher Weiſe tritt dies während des 18. Jahrh. zutage. Hinzu kommt, daß der fürſtliche Abſolutismus, vertreten durch den Landesherrn en miniature, den Mark- Abb. 155. Siegel der Stadt Vier—
grafen, hier wie ſonſt nirgends die Objekte feiner Re⸗ raden(6StW. Rep. 21 Nr. 171). Umſchrift: O Sl GILLVM O CIVIIAIS oO VIRATENSIS I612.
gierungskunſt ſozuſagen unmittelbar vor der Tür hatte.
In der Abwehr feiner Übergriffe, die bes
ſonders unter Markgraf Friedrich Wilhelm kraß hervortraten, war man wohl nach außen
hin einig und, wie Menſchell a. a. O. gezeigt hat, nicht ohne Erfolg. Im Innern aber
bewies die Bürgerſchaft ein aufſäſſiges und unverträgliches Weſen, ſo daß Woellner 1792 <€€!.
den Vierradenern beſcheinigt, ſie ſeien„von jeher zu Unruhen und Anmaßungen ſehr
1) Hausarchiv Charlottenburg Rep. XI Nr. 39. E. 2.
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