Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
Seite
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Das BLATT

Und bin ich auch, wo deine Krone endet, verlornes Blatt, das gegen Stürme streitet, du bleibst als Nährender mir zugewendet, der aus dem Strome, welcher Leben spendet, ein Rinnsal Kraft in mein Geäder leitet.

Du Baum, ich weiß, in deinem Wachsen waltet die Macht, die auch mein kleines Leben lenkte. In mir liegt überlichtet und entfaltet,

was Gott an deinem Anfang vorgestaltet

in eines Samenkernes Nacht versenkte.

Es greift die Wurzelfaust, Faust eines Riesen, ins dunkle Erdreich, tiefer, ungestümer.

Die Urnacht ist in ihrem Griff gepriesen,

die Wonne des Gebundenseins bewiesen:

An diesem Ort such alle Heiligtümer!

Aus deinem Zugriff ist mein Halt genommen. Mich lockt die Freiheit nicht in falsche Fernen. Doch wenn bei Nacht die fremden Winde kommen, muß ich mit ihnen selig und beklommen

vom Unermessnen flüstern unter Sternen.

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