BOTENTREUE
Ich sehne mich nach Demut tief,
ich möchte still sein und nichts fragen, als treuer Bote diesen Brief
zum unbekannten Herren tragen.
Der einsam stille Weg hat nun
die freche Neugier aufgewiegelt.
Die rät Gewalttat. Soll ich’s tun?
Tu’s nicht! Der Brief ist schwer versiegelt.
Ich halt ihn prüfend vor das Licht, mit kleiner List mich zu belügen.
Der Sinn der Botschaft aber spricht mir nicht aus wirren, dunklen Zügen.
Und plötzlich jagt die brennendrote Beschämung über mein Gesicht. Was spähst du, ungetreuer Bote? Geh deinen Weg und frage nicht!
Birg Botschaft, die du nicht verstehst, getreu in deines Mantels Falten!
Die Majestät, zu der du gehst,
wird dir den Lohn nicht vorenthalten.
Umsonst! Und aber mir entzweit, bespähe ich den Brief aufs neue; und höre doch: mein Tiefstes schreit nach Einfalt frommer Botentreue.
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