Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
Seite
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MADONNA IN BRESLAU

Hoch am Haus im Wirrsal alter Gassen, wo die Menschen ohne Frieden sind, steinern in den Giebel eingelassen,

steht das Bild der Mutter mit dem Kind.

Leer dies Mutterlächeln, leerem Schweifen leiht sich die erhobne rechte Hand!

Dunkel bleibt, warum das Kind zum Greifen diese törichte Gebärde fand.

Plötzlich rauscht es aus dem Straßenstaube taumelnd aufwärts bis zur Giebelwand. Und zum Ruhplatz wird der grauen Taube die erhobene Madonnenhand.

Hohes Wunder hat dem grauen Steine diese graue Taube eingefügt.

Und das wirre Bildwerk kommt ins Reine; in die Wahrheit wendet sich, was lügt.

Immer hat das Kind mit seinem zagen Greifen um die Taube sich gemüht. Immer hat die Mutter sie getragen, immer hat ihr Lächeln so geblüht.

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