Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
Seite
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DER BRUNNEN

Ob auch dein Brunnen solche Tiefe habe, daß sich im dunklen Schacht der Blick verlor, du ziehst nicht ungestraft die Gottesgabe

in vollen Eimern an das Licht empor,

wenn du dem Rinnen, Rieseln und dem leisen Gesicker in der Tiefe unterweilen

nicht Zeit läßt, deinen Brunnen neu zu speisen. Laß zu geschäftig nicht die Eimer eilen!

Da hilft nicht Ungeduld, kein Wunsch, kein Wille. Du mußt vergessen, anderm Werk dich neigen! Dann wird das Wasser stetig in der Stille

an den bemoosten Steinen höher steigen.

Willst du nicht warten, bis in ganz geheimer und dunkler Stille sich die Wasser finden,

so wirst du einmal trübes Naß im Eimer, Gewürm und Unrat aus der Tiefe winden.

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