Städtisches Leben ist Klimmen im Hochgebirg des Gedankens;
lockt uns zu Häupten das Ziel, droht uns zu Füßen der Schlund.
Mächtig rufen die Gipfel noch in den Traum unsrer Nächte,
und an der zackigen Wand zeigt eine Blutspur den Weg.
Rein gehn hier oben die Lüfte, aber sehr dünn auch und schneidend,
und es erstarrt dir die Hand langsam am kantigen Eis.
Da verweht mit den Winden der Stolz waghalsigen Mannseins.
Wieder bist du ein Kind, und ein alter Angsttraum wird wahr:
Barfuß, mit flatterndem Hemdchen, stehst du verlassen im Schneesturm,
findest die Haustür nicht mehr, die ins Geborgne dich nimmt.
Heim in die sichere Ebene, heim in die Enge des Dorfes,
aus wachem Eishauch zurück in das verträumte Gewölk,
das dem Torfrauch verbindet die warmen Dünste der Ställe!
Heim, aus der Starre des Geists heim in die Wärme des Bluts!
Nun betret ich den Friedhof; das schmiedeeiserne Gitter
dreht sich am rohen Granit mit dem vertrauten Gekreisch. Müdegewordenen Menschen wird es zum Tor in den Frieden;
in den umhegten Bezirk hält es die Stille gebannt.
Den Mittelweg dann, den die Reihe der kahlen Linden begleitet, schreite ich rüstig hinan, und ich verweile am Grab.
Ehe der kreisende Mond nur halb seinen Umlauf vollendet,
tat sich in schmerzlicher Hast zweimal die Erde hier auf,
nahm mir im bösesten Frühjahr, das unser Vaterland lebte,
Vater und Mutter hinweg, während der röchelnde Krieg,
der im Verenden sich wälzte, mit seinen schwindenden Kräften noch in der Ferne mich hielt und mich nicht heimließ ans Grab. Hier bei den treuesten Menschen liegt auch meine Jugend begraben. Unwiederbringlich entfloh meine umfriedete Zeit.
Zwar steht am Rande des Waldes, südwärts von hier eine Meile, strohgedeckt noch das Haus, wo ihr Leben reif ward und schwer; aber es treten nun Fremde dort die verschlissenen Schwellen, fremder Schicksale Statt, ward es seit Jahren mir fremd. Grüßten, wie damals, den Kommenden Linden in stattlicher Reihe, summten die Bienen wie einst selig im süßen Geblüh,
ständen die Alten, die Treuen,„Willkommen“ rufend am Tore, dann hielt’ der Kreis dieser Welt alle Bedrohung gebannt.
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