Oftmals schreckte den Knaben das Tosen der herbstlichen
Sturmnacht.
Aus dem gefährdeten Schlaf fuhr er geängstet empor.
Wenn sich da draußen die Mühle, die zierkleine, eifervoll drehte,
kam mit dem Klappern ihm bald fliehende Zuversicht heim.
Unter den Händen des Vaters sah er einst staunend das Spielzeug
langsam und kunstvoll erstehn aus dem unscheinbaren Holz.
Heule nur, Sturm! Wer das Wunder der blitzenden Mühle erschaffen,
wer es in schwindelnder Höh aufrichten konnte am First,
dem ist gegeben, die Mächte des lauernden Unheils zu bannen.
Siehe, und ich bin sein Sohn! Ruhig drum schlafe ich ein.—
Schlägt ein Untag dem Kinde mit einem schwarzen Erlebnis
grausam erst aus der Hand, was ihm das Heiligste ist,
liegt an die Allmacht des Vaters der Glaube zerbrochen am Boden,
endet die seligste Zeit— und frühe schon kommt dieser Tag.
Bunte Mären der Mutter rufen die schirmenden Geister;
um das geängstete Kind schließen sie licht ihren Kreis.
Scheu in des Dunkels Bereich entweichen die dräuenden Mächte,
und das geborgene Kind ist ihrer Ohnmacht gewiß.
Einmal aber verlieren die Lieder und Mären der Mutter
jäh ihre bannende Macht. Wenn im entzauberten Kreis
preisgegeben der Knabe allein bleibt mit düstern Gewalten,
endet die seligste Zeit— und frühe schon kommt dieser Tag.
Leben der Treuen besinnend, steh ich am Tor ihres Friedens,
und ein geflüsterter Dank schmiegt sich der Stille ans Knie.
Bin ich vorhin unter Linden eilend dem Ziel zugeschritten,
kehr ich mit Muße zurück, grüße die Kreuze am Rand,
gehe hinein in die schmalen, die seitlich entlegenen Steige,
biege das Trauergesträuch leise und sorglich beiseit,
lese aus leuchtendem Goldprunk oder verwitterten Zeichen,
hier an festem Granit, dort an verrostetem Erz,
lese von ragenden Mälern und wirr überwucherten Tafeln
Namen der Toten mir ab, die ich im Leben gekannt.
Weit in das Reich der Entrückten dringt meines Anrufs Beschwörung,
und wie vorzeiten im Dorf wandeln sie schweigend vorbei.
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