ſchwaͤchen, ihnen die Fahnlehn abzubrechen, wie der Sachſenſpiegel ſich ausdrückt, das heißt, ſie ſetzten feſt, daß gewiſſe angeſehene Grafen, welche mehrere Grafſchaften(hohe Gerichtsſtühle) erworben hatten, nur von ihnen ſelbſt, nicht
von dem Herzoge, mit ihrer amtlichen Befugniß bekleidet werden könnten, woraus denn folgte daß dieſe Fahnlehnbeſitzer ſelbſt ihren Richtern den Königsbann weiter verliehen). Fortan gab es alſo innerhalb des Herzogthums mehr als Ein Fürſtenamt und die Beſitzer der Fahnlehn blieben den Herzogen nur in militäriſcher Hinſicht untergeordnet, bis end— lich das ganze Herzogthum in feiner älteren Bedeutung zertrümmert wurde*).
Wenden wir uns hierbei zur Verfaſſung der Grenzmark, als des Außenwerks eines Herzogthums. Der Markgraf beſaß von Anfang an ein Fahnlehn, empfing alſo nicht ſeine Gerichtsgewalt, ſondern nur ſeine militäriſchen
Befugniſſe jure beneſicit vom Herzoge„). Das Merkwürdige aber in dem Verhältniß des Markgrafen iſt das, daß er von Anfang an ſeine hohe Gerichtsgewalt überhaupt gar nicht als eine vom Könige beſonders zu verleihende und
im Namen des Königs zu verwaltende beſaß, ſondern daß ſie mit feinem militäriſchen Amte ſchon an und für ſich berknüpft war und von ihm in eigner Autorität ausgeübt wurde. Man wird dies verſtehen, wenn man erwägt daß der Markgraf urſprünglich gar keine Gerichtseinſaſſen in der Mark, ſondern nur Soldaten unter ſich hatte, über welche er als Militärbefehlshaber, ohne dazu einer beſondern Gerichtsverleihung zu bedürfen, die Kriegsgerichtsbarkeit ausübte. Später eroberte ſich nun zwar der Markgraf ein eignes Land, welches mit deutſchen Einwohnern beſetzt wurde, es iſt aber ſehr begreiflich, daß er über dieſe von ihm herbeigezogenen Coloniſten und über die unterworfenen Slaven eine ſelbſtſtändige Gerichtsgewalt behielt, welche gar ſehr verſchieden ven der vom Kaiſer verliehenen Amtsge⸗— walt der Grafen im eigentlichen Deutſchland über die urſprünglichen freien deutſchen Reichsunterthanen war. Der Sachſenſpiegel drückt dies fo aus: der Markgraf dingt bi ſines ſelbes hulden(autoritate propria) oder nach der lateiniſchen Ueberſetzung: marchio judicabit sub sibi praestito fidelitatis sacramento(Seitens der Gerichtscinſaſſen, die von Anfang an mehr ſeine, des Eroberers, als des Kaiſers Unterthanen waren). Zur Zeit der Gloſſe war es ſchon ſehr verdunkelt, daß die Gerichtsbarkeit im eigentlichen Deutſchland auf einem vom Kaiſer beſonders verliehenen Amte beruhte, daher wußten ſich die Gloſſatoren+) das: bei fein ſelbſt Hulden dingen, nicht recht zu erklären, obwohl ſie doch in alter Erinnerung ſagen, daß in der Mark ſonderliche Gerichte und Rechte verliehen ſind, das heißt, daß
) Der Königsbann konnte, vom Könige abwärts, nur an die dritte Hand und nicht weiter, lehnweiſe gelangen. ) Die Geſchichte der Herzogswürde beruht wohl in folgenden Momenten. Nach dem Aufhoͤren der alten deutſchen Natio
nalherzoge z. B. der Agilolfinger in Baiern traten die kanſerlichen missi als außerordentliche Beamte und königliche Statt
halter in deren Stelle. Dieſe ſtatthalteriſche Gewalt wurde, unter Neminiscenz an das alte ſationalherzogthum, auf die neuere Herzogswürde gefeſtet. Der Herzog erſchien daher immer nur als außerordentlicher Beamter, der den Kaiſer vertrat,
und hierdurch wird der Kampf der Großen, welche nur unter dem Könige ſtehn wollten, gegen die Herzoge erklärlich. Nur die militäriſche Gewalt(welche außer der des früheren missus lag) ſcheint der Herzog ſchon früh durch Darreichung der Fahne vom Kaiſer förmlich empfangen zu haben, da jede regelmäßige Amisgewalt nach dem Staatsrecht des Mittelalters durch lehn— weiſe Verleihung von einer höheren abgeleitet fein mußte. Die Zerſtörung des Herzogthums geſchah 1) durch Exemtion der weltlichen Fahnlehnbeſitzer 2) durch Exemtion der ſammtlichen Biſchöfe(in Sachſen nur mit Ausnahme des Biſchofs von Pader— born) worauf denn 3) die Auflöſung der militäriſchen Gewalt des Herzogs von ſelbſt folgte. Seitdem verlieh der König die höchſte Gerichts gewalt nicht mehr allen Grafen, die unter Königsbann dingten, ſondern nur wenigen weltlichen und geiſtlichen Fürſten, die ihn denn weiter verliehen und die Blut- oder Regalienfahne hat ſich bei den fürſtlichen Belehnungen bis auf die neueſte Zeit erhalten— Daß es anfangs grade ſieben Fahnlehn in den Herzogthümern gab, hingt wohl mit den urſprünglichen militäriſchen Einrichtungen zuſammen, deren Erörterung hier zu weit führen würde. Auch der Heerſchild der Abtei Lorſch zer—
fiel in septem prineipalia beneſicia quae vulgo appellantur Vanlehn(Chron Laurisham).
*) Bis Albrecht der Bär Markgraf von Brandenburg auch in dieſer Hinſicht vom Herzogihum Sachſen eximirt und alſo ein in jeder Beziehung nur dem Kaiſer untergebener Reichsfütrſt wurde.
t) Riedel, Mark Brandenb. 2. p. 431. hat ſich das große Verdienſt erworben auf dieſe Gloſſe in Bezug auf die brand Rechteverhältniſſe aufmerkſam gemacht zu haben Die Gloſſe führt über das Dingen bei ſein ſelbſt Hulden mehrere Mei
nungen an, von denen die der Schöppen Heinrich von Bartensleben und von Leumwenden der Wahrheit am nachſten kommt, folgt aber endlich einer offenbar irrigen Anſicht; ein Beweis, daß man der Gloſſe nicht unbedingt nachgehen darf. Im 14ten
Jahrh. waren die al ten Verhältniſſe der Mark ſchon ziemlich unbekannt geworden. €