Zeitschriftenband 
Theil 2 (1833)
Entstehung
Seite
112
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waffenbürtigen Ritterſtande ſtatt gefunden habe. Man könnte dies daher erklären, daß die urſprüngliche Gerichtsbarkeit des Markgrafen und ſeines Unterbeamten, des Burggrafen, eine bloß militäriſche war, bei der jeder als Richter auftreten konnte, der die Waffen zum täglichen Kriege) zu Pferde führte, daß alſo dabei eine Art von Gleichſtellung aller Waffenfähigen, ritterbürtigen und nicht ritterbürtigen Standes, eintrat. Denn es kann nicht bezweifelt werden, daß der Stand der Lehnſchulzen in der Mark, eben weil er mit gegen die Slaoen gekämpft hat, in älterer Zeit viel angeſe­hener war, als im ſpäteren Mittelalter), wo der Ritterſtand durch fein ſelbſtſtändiges Waffenrecht ſich mehr und mehr über ihn erhoben hat, oder vielmehr der Stand der Lehnſchulzen geſunken iſt, während der Ritterſtand fein Anſehn be hielt. Da die Gloſſe beſtimmt verſichert, daß an den markgräflichen Landgerichten die gemeinen Leute(d. h. nicht ritterbürtige) Urtheil finden*), da das Landbuch vom Jahr 1375 ſagt, daß septem villani+) in peinlichen Sachen auch über Ritterbürtige(militares) zu Gericht geſeſſen hätten(jus dictant), fo läßt ſich dieſer Umſtand nicht ſchlechthin ableugnen. Vielleicht erklärt ſich die Sache folgendergeſtalt am natürlichſten. Ueber Leben und Ehre eines ritterbürti gen Vaſallen konnte überhaupt nur von dem oberſten Lehnherrn, dem Markgrafen, entſchieden werden, da jedes grobe Verbrechen eines Vaſallen zugleich ein Felonie gegen den Marggrafen in ſich begriff, welcher in der Mark für die Auf: rechthaltung des Landfriedens vermöge feines militäriſchen Fürſtenamtes allein zu ſorgen hatte i). Da nun, nach der militäriſchen Verfaſſung der Mark, alle Ritterbürtige zugleich Vaſallen des Markgrafen waren, ſo wurden peinliche Sachen, welche einem Ritterbürtigen an den Hals oder an die Hand gingen, vor dem oberſten Gericht des Markgrafen verhandelt wit) und von dieſem Gericht wiſſen wir, wie oben gezeigt iſt, mit Beſtimmtheit, daß nur Nitterbürtige Urtheilfinder ſein konnten. Bekanntlich hat ſich der Grundſatz von der nothwendigen Standesgleichheit der Richter nie weiter erſtreckt, als auf Leben und Ehre des Angeſchnldigten 141), da z. B. in Markengerichten gemeine Bauern jedem auch ritterbürtigen Markgenoſſen eine Markenbuße auferlegen konnten. Verſchuldete alſo ein Ritterbürtiger in der Mark etwas, das nicht an den Leib ging und keinen Verluſt der vaſallitiſchen Ehre, ſondern nur etwa eine Geldſtrafe nach ſich zog, z. B. Injurien, ſo konnte darüber an den gewöhnlichen Landgerichten, wo die Landſchöppen(alſo freie deutſche Lehnſchulzen, nicht wendiſche Hörige) über peinliche Verbrechen der nicht ritterbürtigen Perſonen zu Gericht ſaßen, ent: ſchieden werden, ohne daß der kriegeriſchen Ehre des Vaſallen oder den Rechten des Lehnherrn zu nahe getreten wäre.

Freilich hätte ſich dann das Landbuch ungenau ausgedrückt, indem es danach ſcheinen könnte, als ob alle, auch die Ca­

) Denn von den gemeinen Söldnern und den Zinsbauern, die nur im Nothfall zur Landwehr aufgeboten wurden und mithin nicht unter regelmäßigem militäriſchen Commando des Burggrafen ſtanden, kann hier nicht die Rede ſein. Solche Zinsbauern ließen ſich auch erſt nach der Eroberung der Mark in dieſelbe nieder.

) Siehe Wohlbrüks Geſch. v. Lebus Bd. 1. wo jedoch meiner Ueberzeugung nach die Sache dadurch völlig auf den Kopf geſtellt iſt, daß die Lehnſchulzen, welche nach p. 202. von den Rittern angeſetzt worden find, nach p. 216. eher vorhanden geweſen fein ſollen als die Guteherrn.

) Riedel a. a. O. Bd. 2. p. 393. welchem ich jedoch darin nicht beitreten kann, daß: uthgeſundert ſo viel als: abgeſchafft heiße.;

t) Worunter man doch jedenfalls die Landſchöppen zu verſtehen haben wird, alſo Lehnmänner Möglich wäre et, daß der Ausdruck villani nur im Allgemeinen fo viel heißen ſolle, als Landbewohner, im Gegenſatz der Städter, welche ein eig nes judicium supremum hatten. Mir iſt keine Urk. bekannt, wo Lehnſchulzen oder gar gemeine Bauern einem Ritterbürtigen Leben und Ehre abgeſprochen hätten und da dies auch an ſich allen Rechtebegriffen des Mittelalters zuwiderliefe, fo kann ich et nicht annehmen, wenn ich auch ſonſt die Behauptung von einer früheren allgemeinen völligen Freiheit aller Bauern in der Mark zugeben könnte.

††) Nach neueren Begriffen ausgedrückt, würde dies heißen: jedes Verbrechen war zugleich ein Verſtoß gegen die militäriſche Dis ciplin.

Fit) Die Gloſſe ſagt gradezu, daß Ritterbürtige(guter Hand Leute) nur vor dem Gerichte des Markgrafen ſelbſt zu Rechte ſtebden und fie bat Recht, in fo weit es ſich um Ehre, Leib, Leben und Lehngut der Ritterbürtigen handelt, nicht aber wo um gewöhnliche Schuldſachen geklagt wurde, wo ein Ritterbürtiger, wenn er bäuerliche Grundſtücke beſaß, ſogar vor den Dorfsgerichten Recht nehmen mußte.

tft) oder auf den Verluſt des ritterlichen Lehnguts, den nur Genoſſen ausſprechen konnten. Bd. 1. dieſes Coder bag. 80.