Zeitschriftenband 
Theil 2 (1833)
Entstehung
Seite
113
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pitalerbrechen der Ritterbürtigen von Landſchöppen nicht ritterbürtigen Standes entſchieden worden ſeien, allein es bes ſeißigte ſich der Kürze um fo mehr, als es ihm weniger auf die Gerichtsberfaſſung als auf die Gerichtseinkünfte ankam und weil die Landſchöppen über alle Verbrechen der nicht Ritterbürtigen entſchieden, ſo ſagt es kurzweg, daß der über die poena sanguinis überhaupt gerichtet worden ſei.

Dieſe Landſchöppen nicht ritterbürtigen Standes, jedoch den Lehnſchulzen oder Lehnmännern angehörig, ver­dienen nun noch eine Betrachtung, da es mir ſehr glaublich iſt daß in früherer Zeit das Landſchöppenamt beſtimmten Gütern erblich angeklebt hat, die Landſchöppen alſo urſprünglich nicht allein durch Cooptation oder vom Landesherrn erwählt wurden. Im eigentlichen Deutſchland exiſtirte unter den Schöppenbarfreien ein eignes Schöppenamt, welches erblich an gewiſſe Grundſtücke gefeſtet war und vom Vater auf den älteſten(qualifizirten) Sohn überging, außerdem aber durch Cooptation aus der Zahl der Schöppenbarfreien ergänzt wurde. Die eigentliche Beſchaffenheit dieſes am Grund und Beden gefeſteten Schöppenamtes, wovon z. B. in Franken ſich die zum Schöppenamte verpflichteten Grundſtücke noch in ſpäter Zeit erhalten haben, liegt noch ganz im Dunkeln, aller Wahrſcheinlichkeit nach aber ſtammt es aus einer uralt heidniſchen Zeit, wo eine erbliche Prieſterzunft'), gleich den Leviten der Juden, im Beſitz der Rechtskennt­niſſe war, welche bei den Heiden zugleich die Religion ausmachten. Die Rechtskenntniß war alſo eine Art religiöſes Geheimniß**), welches vom Vater auf den Sohn zugleich mit einem Prieſtergute** vererbte. Solche Anknü­fung geiſtiger Beziehungen an den Grund und Boden iſt eines der Grundelemente des germaniſchen Staatsweſens, auf dem auch die Lehntreue der Vaſallen beruht und es hat an ſich nichts auffallendes, daß Beſitzer gewiſſer Güter erblich Schöppen im Landgericht waren, da ſie ja auch erbliche Dorfſchulzen waren und noch heut zu Tage in vielen Dörfern bekanntlich das Schulzenamt Annexum eines Grundſtücks iſt. In Uebertragung der deutſchen Einrichtung wurden nun auch in der Mark einige Freiſchulzenlehn und Lehnmannsgüter zu Landſchöppengütern und ihre Beſitzer für verpflichtet erklärt, ſich bei den Landgerichten als Schöppen brauchen zu laſſen; eine Einrichtung von der ſich Spuren bis in das ſpitere Mittelalter erhalten haben h) bis endlich durch die Zerſprengung der alten Landgerichte und andre Umſtände im ſechszehnten Jahrhundert das Landſchöppenthum vernichtet worden iſt.

) Das Schöppenamt war eine der Verſchwörungen(eonjurationes, diaboles gilden) des Heidenthums.

) Meiner Ueberzeugung nach liegt hierin, nicht in Einrichtungen Carls des Großen(dem überall zu viel zugeſchrie­ben wird) die Entſtehung der heimlichen Acht unter den wiſſenden Schöppen der weſtphäliſchen Vehmgerichte. Ich halte es für Irr­thum, wenn man urſprüngliche Beſonderheiten der weſtphaliſchen Gerichtsverfaſſung annimmt, nur die ſpätere Entwickelung

hat i eſtphalen einen beſondern Gang genommen, wozu wohl beſonders der Umſtand, daß ein geiſtlicher Fürſt Herzogsrechte at in eſtph. 5 50.

nicht bloß im eignen Gebiet erwarb, beigetragen hat, wie oben angedeutet iſt. Eine heimliche Acht unter den Schöppen ſelbſt

gab es urſprünglich wohl bei allen deutſchen Gerichten und ſind in dieſer Beziehung die Nachrichten ſehr merkwürdig welche z. B.

Quix(Geſch. von Burſcheid) bekannt gemacht hat. Nachdem nemlich ein neuerwählter Schöppe in Burſcheid auf dem öffentli­chen Mahlplatz den offenbaren Schbppeneid abgeleiſtet hatte, mußte er heimlich, nur in Gegenwart der Schöppen den ſ. g. Kam mereid ableiſten, welcher enthielt daß er nichts von den Heimlichkeiten der Schöppen offenbaren und ſich ſelbſt in allen Stücken deren alleiniger Gerichtsbarkeit unterwerfen wolle. Hierin liegt offenbar daſſelbe Princip, welches das Weſen der weſtphäliſchen heimli­chen Gerichte ausmacht. Die uralte Heimlichkeit der Schöppen, das Wiſſen derſelben, iſt wohl nichts anders als das Zunftge­heimniß der heidniſchen Prieſter, die Kenntniß der Religions- und Rechtsgebräuche, welche ſie bewahrten und auf Befragen des hohen Richters, des ſpäteren Grafen, am Opfer- und Gerichtsplatz ausſprachen. Daß die weſtphaliſchen Gerichte dieſe Heime lichkeiten, freilich in ganz veränderter Geſtalt, fortpflanzten und ausbildeten, darin liegt ihre Eigenthümlichkeit, ſo wie in

dem Umſtande, daß ſie ſich auch noch in ſpäterer Zeit als kaiſerliche Gerichte betrachteten.

) Das Aſylrecht und die Abgaben⸗-Freiheit der Richtergrundſtücke hängt mit dieſem alten Prieſtergut zuſammen.

*) Daß grade in den älteſten Dörfern des Landes Lebus ſich Landſchöppen zeigen, daß die Landſchöppengüter alle um den Sitz der Landgerichte herumliegen(Wohlbrück Lebus 4. p. 337 und 345) halte ich für ſolche Spuren, wie ich auch die Stellen des Landbuchs, wonach gewiſſe Hufen ad oſſicium quod dicitur Landschepe gehören, nicht von den gewöhnlichen Frei» hufen der Lehnſchulzen erklären kann(Wohlbrück J. c. p. 311.) Uebrigens gebe ich gern zu, daß dieſe Anſicht von einer erblich dinglichen Schöppenzunft(auf welche ich auch die bekannten Rachimburgen beziehe) noch ſehr einer nähern Begründung bedarf,

auf welche ich hier nicht eingehen kann. Grimm(Rechtsalterthlimer) will an der Stelle des Sachſenſpiegels: zu den Bänken geboren, das letzte Wort in: gekoren verwandeln, aber wie erklärt ſich dann Sachſenſpiegel III. 36.? Auch bei den weſtphaliſchen

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