änderungen, welche ſehr merkwürdig aber noch nicht ganz aufgeklärt find*), das alte Sachſenrecht in ſeiner allgemeinern
Gültigkeit aus der Mark verdrängt wurde, fo daß Grundſätze des deutſchen Rechts ſich nur als probinzielle Particulari, täten erhalten haben.— Der Markgraf war von jeher der höchſte Richter über Leib und Leben in der Mark, wenn gleich ein Theil
der e e een tsbarkeit ſchon in ſehr früher Zeit, im dreizehnten Jahrhundert, auf die Vaſallen überging“), denen wie auch den Städten, eine niedre Polizei und bürgerliche Gerichtsbarkeit(zudicium r re. über ihre Bürger und Hinterſaſſen von jeher zuſtändig geweſen war. Die Grenze zwiſchen hoher und niedrer Gerichtsbarkeit war dieſelbe, wie im ganzen übrigen Deutſchland, daß nemlich die Beſtrafung der Hauptverbrechen und der Wunden, welche kampf wür dig waren**, dem Landes lrſten zuſtand oder daß doch ohne deſſen Einwilligung eine Strafe, die an den Hals oder die Hand des Verbrechers ging, nicht vollſtreckt werden konnte. Das Rechtſprechen in peinlichen Sachen ſah man ſogar als eine perſönliche Befugniß des Landesherrn an und als im Jahr 1483 eine Criminalſache vor den churfürſtlichen Rä, then zur Sprache gebracht wurde, erklärten dieſe: über Ehre und peinliche Sachen wollten ſie nicht erkennen und wieſen die Sache an den Landesherrn ſelbſt). Dieſer ächt deutſche Grundſatz, daß das Urtheil über Leib und Leben eines Menſchen von der Perſon des höchſten Richters, dem Gott das Schwerdt der Gerechtigkeit anvertraut, ausgehn müſſe und daß er es ſelbſt nicht feinen Räthen in vollem Umfange überlaſſen könne, hat ſich bis auf die neueſten Zeiten in Kraft erhalten 4H). Der Markgraf war ferner der oberſte Lehnherr in ſeinem Lande und übte als ſolcher die Lehngerichtsbarkeit ordentlicherweiſe durch feine gewöhnlichen Räthe, nur da wo fein eignes Intreſſe in das Spiel kam, namentlich wo es ſich um die Frage drehte, ob der Vaſall die Lehntreue an ihm gebrochen habe, mußte nach altem Herkommen bei eis gender Sonne ein förmliches Mannengericht aus den Vaſallen niedergeſetzt werden. Eine ſehr merkwürdige Urkunde vom Jahr 1414) zeigt, daß dabei die uralten Gebräuche des deutſchen Rechts fortwährend in Uebung waren. Erſt ſpäter gedieh auch dieſe Art der Lehngerichtsbarkeit an das ordentliche churfürſtliche Kammergericht, wiewohl noch zu den Zeiten König Friedrich Wilhelms des Erſten üblich war, daß der König ſelbſt, als oberſter Lehnherr, die Erkenntniſſe in Lehn⸗ ſachen unterſchrieb.,
) Siehe, darüber meinen Aufſatz in v. Ledebur Archiv Bd. 5. p. 309.
**) Es geſchah dies in der Mark am früheſten in ganz Deutſchland. Etwa weil die ſlaviſchen Supane ein ſolches Recht über ihre Hinterſaſſen gehabt hatten?—
*) S. darüber, außer unzählig andren Urkunden die folg. Nro. 110.
*) Urk. Nro. 120. unten. In der Mark galt übrigens auch das alideutſche Criminalverfahren, der Unterſchied zwi ſchen handhafter und übernächtiger That, das Zetergeſchrei(Urk. Nro. 110.) u. ſ. w. Leider iſt uns hiervon aus der alteren Zeit wenig aufbehalten, das letzte in Berlin 1787 gehaltene hochnothpeinliche Halsgericht beweiſet aber allein ſchon das deutſche peinliche Verfahren in der Mark.
Ft) Als Beſtatigungs- und Begnadigungsrecht, welches nur hiſtoriſch erklärt werden kann, indem der Gegenſatz zwiſchen Recht und Gnade ſo wie er jetzt definirt zu werden pflegt, ganz nichtig iſt. Wer begnadigen kann, iſt allemahl der höchſte Richter und jeder Richter, der Milderungsgründe berückſichtigt, begibt ſich in das Gebiet der Gnade. Der einzige Un⸗ terſchied bleibt der, daß dem gewöhnlichen Richter als Beauftragten des höchſten Richters im Lande gewiſſe Grenzen vorgeſchrie⸗ ben find, die er nicht überſchreiten darf, während der Landesherr nur Gott und feinem Gewiſſen von den Gründen feiner Be gnadigung Rechenſchaft ſchuldig iſt. Iſt man doch ſo weit im Unſinn gegangen, daß man dem Landesherrn das Recht hat ab— ſprechen wollen, Gründe ſeiner Begnadigung auszuſprechen, gleich als ob er dabei nur dem blinden. folgen fl und Rechts- und Vernunftgründe ein Reſervat feiner Beamten geworden ſeien!— Uebrigens hängt auch die hergebrachte Befugniß auf erfordertes Gutachten Criminalſtrafen zu ſchärfen, mit den ältern Rechtsanſichten zuſammen, was jedoch nicht näher ausge— führt werden kann, ohne in die ganze Materie von der Cabinetsjuſtiz einzugehn, über welche fo viel irrige, aus dem Axiom der Gewaltentheilung gefloſſene Anſichten verbreitet ſind, weshalb hier nur bemerkt wird, daß die Beſchränkung des Selbſtrichtens auf landſtändiſchen Verſicherungen beruht. König Friedrich der Große gan nicht nur noch förmliche Erkenntniſſe in Civilſachen abgefaßt, ſondern auch alle Reviſionserkenntniſſe in oſtpreußiſchen Sachen, wo das Tribunal zu Berlin nur modo delegationis erkannte, ſelbſt unterſchrieben.
+11) Im erſten Bande dieſes Codex p. 79 folg. womit Grimms treffliche Rechtsalterthümer zu vergleichen find.