Hinſichts der Geſchichte der Gerichtseinrichtung der Mark Brandenburg ſeit dem zwölften Jahrhundert muß übrigens hier auf andre Werke verwiefen*) und kann nur ſo viel bemerkt werden, daß man dabei im Allgemeinen drei Landestheile und drei Gerichtsverfaſſungen unterſcheiden muß. 1) Die eigentliche Marken- oder Burg— wardsverfaſſung, welche beſonders in der Altmark gegolten hat. Danach zerfiel die Mark in Burgen, zu deren dem ein umliegender Sprengel und eine Burgmannſchaft gehörte, über welche ein vom Markgrafen beſtellter Burggraf Voigt) Gericht hielt). Daneben gab es hohe Dingſtätten des Markgrafen ſelbſt, deren uns der Richtſteig zum Landrecht einige aus alter Ueberlieferung aufbewahrt hat, bis das markgräfliche Gericht der Altmark ſich in des Reichskämnerers Kammer zu Tangermünde fixirte und die Burgwardsgerichte(hauptſächlich durch die Exemtion der Städte) einzingen. Es iſt eine Eigenthümlichkeit des Mittelalters, daß jedes factiſche Verhältniß ſich bald zu einem Rechts verhãltuiſſe geſtaltete und fo blieb, auch nachdem der Sitz des Markgrafen in die Mittelmark verlegt worden war, in Tangermünde ein hohes markgräfliches Gericht unter dem altmärkiſchen Landeshauptmann, als Stellvertreter des Markgrafen, bis auf neuere Zeiten. 2) Die zweite Gerichtsverfaſſung iſt die Eintheilung der Gerichtsſprengel nach Territorien Districten, ſpäter Kreiſen), welche beſonders in der Mittelmark ſtatt fand und wonach z. B. das Havelland zu Bran— denburg, das Land Barnim zu Strausberg“) ein eignes Landgericht beſaß. Dieſe Landgerichte waren im funfzehnten Jahrhundert zu einem beſondern Hofgericht für die Mittelmark zu Berlin zuſammengeſchmolzen. Daneben wurde zu Berlin, als der ſpätern Reſidenz, ſo wie zur Zeit des Richtſteiges zu Brandenburg auf der Havelbrücke, das markgräfiche Kammergericht für die ganze Mark Brandenburg abgehalten. 3) Die dritte Gerichtsverfaſſung iſt die ſlaviſche Catellaneiverfaſſung(polniſche Woiwodſchaftsverfaſſung), welche z. B. in der Neumark jenſeit der Oder beibehalten wurde, da die Markgrafen ſich dieſes Land unterwarfen. Danach war das ganze Land ebenfalls in Burgen getheilt, zu denen adliche Burgmannen und ein Gerichtsbezirk gehörte, übrigens aber beweiſet die uns aufbehaltene Ordnung des Manngerichts zu Friedeberg in der Neumark, daß auch dieſe Gerichte ganz mit den deutſchen Rechtsgebräuchen abgehal— tin wurden+). Später verſchmolzen alle Neumärkiſchen Caſtellaneigerichte zu einem beſondern Hofgericht des Neumär—äiſchen Landvogts, nur das Landvogteigericht zu Schievelbein it) und das Burggericht zu Neuwedel(als Gericht der ſchloßgeſeſſenen Familie von Wedel) haben ſich von der älteren Verfaſſung bis auf die neueſten Zeiten erhalten.
) Wohlbrtick Geſch. des Bisthums Lebus, Riedels Mark Brandenburg im Jahr 1250 und die Schrift: über die älteſte Verfaſſung und Geſchichte der Mark Brand. GZerbſt 1830. 8.) Auf völlige Gewißheit iſt übrigens nicht überall zu kom— men, wie denn auch der Verf. viele in dieſem Aufſatze enthaltenen Anſichten gern für Conjeeturen erklärt, deren gründliche Widerlegung niemand mehr, als ihn ſelbſt freuen würde. Wer es weiß, daß ſelbſt in unſerm ſchreibeluſtigen Zeitalter über viel elbſt wichtige Verhältniſſe der Gegenwart gar nichts Geſchriebenes exiſtirt, der wird nicht behaupten wollen, daß man
auf den Grund von einigen tauſend uns erhaltener Urkunden auf unumſtößliche Gewißheit über alle Gegenſtende gelangen könne. zo viel bleibt aber gewiß, daß wir von den Rechtsverhältniſſen des Mittelalters eine weit größere Kenntniß erwerben können i von denen des Alterthums und fo lange die Acten in den Reziſtraturen todt liegen bleiben, ſelbſt mehr Kenntniß, als von en inneren Verhältniſſen des ſechszehnten, ſiebzehnten und achtzebnten Jahrhunderts, ſo paradox letzteres auch klingt.
) Auf dieſe Gerichte zielen die Worte der Gloſſe: in greveſchap(in einer deutſchen Grafſchaft) find nene vogde, dy richten; wohl alſo in der Mark, wo die Gerichte der Domainenämter von dieſen Burgwardsgerichten zum Theil ein Ueberbleibfl find, nachdem Städte, Adel und adliche Hinterſaſſen davon eximirt worden find. Die Amtsſäſſigkeit vieler ſächſiſchen Rittergüter beruht ebenfalls auf der Burgwardsverfaſſung S. Adelung Directorium p. 47. Vorrede.
*) Hieraus find auch die angeſehenen Schöppenſtühle zu Brandenburg und Strausberg(der ſpäter nach Soldin ver—
legt wurde) hervorgegangen.
) Siehe Band 1. dieſes Codex p. 176.
h ſ. Brandenb. Miszellen des Jahres 1805. Das Landvogteigericht zu Friedeberg kommt als judicium Provinciale, judicium vasallakus districtus Fredeberg früh vor(Riedel Mark Brand. Bd. 2. p. 415.) Dieſe Caſtellaneigerichte haben die größte Ähnlichkeit mit den urſprünglichen altmärkiſchen Burgwardsgerichten und ſind aus ähnlichen Gründen eingegangen nemlich durch Exemtion der Städte, Verfall der Burgen und Zerſtreuung der Burgmannen.
rf) Dieſe dreifache Verfaſſung, bei welcher übrigens natürlich viel Uebereinſtimmendes neben dem Abweichenden ſtatt fand, iſt auch wichtig für die Städteanlegung in der Mark. In der eigentlichen Mark z. B. der Altmark hat ſich eine deutſche
Stadtgemeinde neben der Burg geſammelt, in der Mittelmark iſt ein altwendiſcher Ort durch Anſammeln von Deutſchen zu