Zeitschriftenband 
Theil 2 (1833)
Entstehung
Seite
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derſelben trug, erſt bei dem Ausbleiben im dritten Termine wurde contumazirt), woher es ſich im neueren Prozeß erhalten hat, daß die erſten Inſtructionstermine leichter verlegt werden. Bisweilen ſetzte man auch noch einen vierten peremtoriſchen Termin an und bei Verfeſtigungen) ſcheint dies Regel geweſen zu fein. Konnte der Beklagte in: deſſen nachweiſen, daß ein geſetzlicher Entſchuldigungsgrund(ehafte Noth) ihm zur Seite ſtehe, was er durch ſeinen Eid beweiſen mußte z. B. daß er im Herrndienſt abweſend geweſen ſei, fo wurde er in integrum reſtituirt und zur dritten Klage wieder zugelaſſen.

Das gerichtliche Verfahren ſelbſ war regelmäßig mündlich, indem die Fürredner in vier Sätzen, Klage oder Zuſprach, Antwort, Rede und Widerrede gegen einander auftraten und öfters wird ſogar bemerkt, daß viel Hin- und Widerreden der Partheien ſtatt gefunden habe. Ob die Inſtruction mit beſondern Feierlichkeiten geſchah, darüber iſt leider nichts aufbehalten und nur ſo viel gewiß, daß das Urtheil der Richter auf Fragen der Partheien erfolgte und eine ſolche Frage zweckmäßig zu ſtellen mag die Hauptkunſt eines geſchickten Redners geweſen fein. Verlangte der Be:

klagte einen beſondern Termin um ſich zu verantworten, fo wurde ihm ein Eid abgefordert, daß er es nicht aus Chikane.

thue, ſondern um ſich Raths zu erholen. Eine Niederſchreibung der Verhandlungen fand nicht ſtatt, es wurde nur der Inhalt derſelben etwa kurz im Erkenntniß bemerkt und wenn ein Termin erſtreckt wurde, gab man beiden Partheien ſ. g. ausgeſchnittene Zettel, deren Aneinanderhalten die Authentizität auf eine ſehr einfache Art belegte***), Wichtige Sachen, welche durch mündliche Verhandlung nicht zu überwältigen waren, verwies das Gericht durch ein Interlocut zum förmlichen ſchriftlichen Rezeſſiren. Jede Parthei übergab dann, in Friſten von 14 Tagen bis 6 Wochen,

zwei Schriftſätze der Kanzlei des Gerichts, welche dem Gegentheil in Abſchrift mitgetheilt wurden und ſchon als Re­

plication, Duplieation und Triplication bezeichnet werden. Von Privatprozeſſen ſind mir ſolche noch vorhandene Schrift­

jäße aus dieſer Zeit nicht bekannt, die Duplick aber, welche der Biſchof von Brandenburg für den Churfürſten in der Magdeburger Lehnſtreitigkeit übergab h beweiſet, daß dabei viel Geſetze angeführt und überhaupt alle Advocatenkünſte

angewendet wurden. Sehr gewöhnlich war es, die Inſtruction des Prozeſſes ganz oder zum Theil an eine Commiſ­

ſion zu verweiſen, z. B. die Partheien anzuweiſen, die Schriftſätze dem Hauptmann zu Croſſen u. ſ. w. einzureichen,

welcher ſie dann in die Kanzlei des Kammergerichts beförderte und die Partheien zur Offnung des Urtheils wieder vor das Kammergericht befchied. Sehr häufig, zumahl bei Familienſtreitigkeiten, wurden auch zwei Räthe als Commiſſarien

zum Verſuch der Sühne beſtellt und in der That auf dieſe Art, zumahl durch Localtermine, ſehr viel Prozeſſe verglichen. Endlich geſchah auch die Beweisführung häufig vor einem Commiſſarius z. B. den Hofrichtern in Prenzlau, im Lande Sternberg u. ſ. w.

Sobald der Prozeß begann wurdedas Recht geöffnet und die That verboten, das heißt alle Beſitzſtörung

unterſagt, deren ſich zu enthalten die Partheien an Eidesſtatt zuſagten, oder man regulirte auch wohl durch einen Com­

mniſſar ein förmliches Interemiſtieum. Das erſte war dann, daß der Beklagte eine eidliche Gewähr vom Kläger for

derte, in welcher letztrer verſprach, daß der Beklagte nicht nochmals wegen deſſelben Gegenſtandes in Anſpruch genom­

men werden ſolle. Auch war eine Folge der Gewähr, daß der Kläger nun nicht mehr feine Klage ändern(beffern) konnte ö). Hierauf begann det Prozeß zunächſt mit den Vorfragen z. B. wer die Rolle des Klägers(Vork lage) zu

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übernehmen habe, worauf denn zur Erörterung der Hauptſache übergegangen wurde 55). Urkunden, als Beweiſe, wurden

) Es war dies allgemein Regel im deutſchen Prozeß. Die Tageszeit bis zu der gewartet werden mußte, war wie

noch jetzt die Mittagsſtunde, wo die Sonne zu ſinken begann Bd. 1. P. 80.) Der Beklagte wurde dann laut aufgerufen, wie

dies noch gegenwärtig bei dem Stadtgericht zu Berlin üblich iſt.

7 S. Band 1. pag. 175.

* Ich beſitze ſolche ausgeſchnittene Zettel. Ein ähnliches tritt wohl noch bei unſern jetzigen lettres au portenr ein. +) im ſtädtiſchen Archive zu Salzwedel. S. Ledebur Archiv 5. p. 312.

+1) Siehe den Sachſenſpiegel, welcher überhaupt mit dem Inhalt des nachfolg. Gerichtsbuches verglichen werden muß. it) Ob in älterer Zeit jeder Klageantrag auf eine beſtimmte Schadensſumme in Gelde gerichtet ſein mußte, wie

dies noch jetzt die engliſche Prozeßform erfordert und für Deutſchland die alten Gerichtsprotokolle des Landgerichts des Burg

grafthums Nürnberg ergeben? u. Bd. 116]