Prophet: Maimonides 51
Moses ist ohnehin gegenüber allen anderen Propheten dadurch hervorgehoben, daß ihm und keinem anderen die Tora und damit die unwandelbaren 613 Gebote und Verbote Gottes für das jüdische Volk geoffenbart wurden. Ihn unterscheidet jedoch ferner, daß dies bei klarem Bewußtsein und in wachem Zustand geschah, also unter den Erkenntnisbedingungen eines Philosophen, nicht eines Träumers oder Visionärs. Maimonides widmet viele Kapitel seines 1190 publizierten philosophischen Hauptwerks More Nevuchim («Führer der Unschlüssigen», bes. z. Teil, Kap. 35-47) der Hervorhebung der Sonderrolle des Moses sozusagen als <Prophet> der Tora, sowie andererseits der Abwertung und Abwehr aller übrigen Propheten und Prophetien, die er des Anthropomorphismus, der Magie, der Träumerei oder der unwahren und philosophisch unhaltbaren Visionen zeiht. Vor allem der Messianismus in den Schriften vieler Propheten, von dem Maimonides so wenig hält, daß er ihn in seinen philosophischen Schriften überhaupt nicht würdigt und in seinen rabbinischen Schriften und Briefen möglichst zurückdrängt, 44 kann so implizit als Träumerei abgetan werden, denn im Pentateuch und bei Moses, also unter rationalen Erkenntnisbedingungen, kommt der Messias nicht vor. Dieses fast totale Zurückdrängen, wenn nicht sogar die Bekämpfung des Messianismus teilt die jüdische Aufklärung des 18. Jahrhunderts mit Maimonides. Erst am Ende des 19. und besonders im 20. Jahrhundert spielt der Messianismus bei jüdischen Denkern wie Moses Hess, Hermann Cohen, Walter Benjamin oder Ernst Bloch überhaupt wieder eine Rolle. 45
Maimonides unterscheidet jedoch die Prophetie des Mose nicht nur von derjenigen der anderen Propheten, sondern auch ganz deutlich von den politischen Gesetzen der profanen Gesetzgeber. Diese werden von ihm verachtet, weil sie, anstatt nach wahrer, sprich: philosophischer, Erkenntnis zu streben, nur den Vorspiegelungen ihrer gut ausgebildeten Einbildungskraft erliegen. 46 Nur die Tora ist unwandelbares Gesetz Gottes für alle Zeiten, sie zu of-