5 6 Moses und die Tora
3. Medium der geoffenbarten Gesetzgebung:
Mendelssohn
Wenn es zwei nachbiblische jüdische Autoren gibt, deren Positionen für alle Maskilim, für alle jüdischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts, maßgeblich sind, so sind dies die Autoren Maimonides und Spinoza. Dies gilt auch für Moses Mendelssohn, die Leitfigur der modernen jüdischen Aufklärung. Mendelssohn (1729-1786) verkörperte beides, Aufklärung und halachisches, gesetzestreues Judentum. Und er zielte in seinen theoretischen Äußerungen über die Haskala, die jüdische Aufklärung, auf die Vereinbarkeit von Haskala und Halacha, von Aufklärung und Observanz gegenüber den traditionellen jüdischen Geboten ab. 56 Diese Treue zu Tora und Halacha geht so weit, daß Mendelssohn in seinem theologisch-politischen Hauptwerk Jerusalem von 1783 schreiben kann, im Zweifelsfalle sei für Juden der strikte Gehorsam gegenüber den Mizwot, den unveränderlichen Geboten des jüdischen «Gesetzes», also der Tora, wichtiger als die «bürgerliche Vereinigung» mit den Christen durch das Erreichen staatsbürgerlicher Gleichberechtigung: «Wenn die bürgerliche Vereinigung unter keiner andern Bedingung zu erhalten ist, als wenn wir von dem Gesetze abweichen, das wir für uns noch für verbindlich halten; so thut es uns herzlich leid, was wir zu erklären für nöthig erachten: so müssen wir lieber auf bürgerliche Vereinigung Verzicht thun; ... Von dem Gesetze können wir mit gutem Gewissen nicht weichen, und was nützen euch Mitbürger ohne Gewissen?» 57
Die Tora ist für Mendelssohn «geoffenbarte Gesetzgebung», die nur für die Juden gilt. Sie verkündet keine universalen Religionswahrheiten wie die Existenz Gottes oder die Unsterblichkeit der Seele, die als Vtrnunftwahr- heiten für jeden Menschen erkennbar und damit Grundwahrheiten der natürlichen Religion sind. Das Specificum