Medium der geoffenbarten Gesetzgebung: Mendelssohn 61
ten siebziger Jahren beschäftigt. Dieses Werk ist eine der bedeutendsten Übersetzungen der deutschen Literatur. Es kann kein Zweifel bestehen, welchen Wert Mendelssohn dem Pentateuch zumaß und mit welcher Freude und Anteilnahme er sich mit ihm beschäftigte. Dennoch ist sein Festhalten an der Gemeinsamkeit von schriftlicher und mündlicher Tora, von Pentateuch und Talmud als eine einzige <Tora> Gottes in seinen theoretischen Ausführungen von Jerusalem und anderen Werken ganz rabbinisch-traditionell. Er wird von seiner Neigung zum Pentateuch keineswegs dazu verführt, in sozusagen protestantischer Manier des sola scriptura die mündliche Tradition und die Kommentarliteratur zu vernachlässigen oder gar zu ignorieren. Mendelssohn steht, was viele Mendelssohnianer später nicht wahrhaben wollten, zum Talmud als «geoffenbarter Gesetzgebung», also als Offenbarung, nicht als Menschenwerk der Rabbinen.
Das rabbinische Judentum mit seiner mündlichen Tora stand auf dem Spiel, wenn Mendelssohn wie Spinoza und Michaelis von bloßer «Gesetzgebung» des Moses gesprochen hätte. Darum spricht er mit genauester Berechnung von «geoffenbarter Gesetzgebung». Mit dieser Rede bringt er sich auch in Opposition zu dem 1777 von Lessing veröffentlichten Reimarus-Fragment Daß die Bücher A.T. nicht geschrieben worden, eine Religion zu offenbaren . 66 Er rettet dadurch für das Judentum die Tora als Offenbarung, und er schützt durch den Offenbarungsbegriff das Mosaische Recht vor gänzlicher Profanierung, das rabbinische Judentum vor dem Veraltetsein. Mendelssohn gesteht der zeitgenössischen Bibelkritik zu, daß die Tora ein Gesetzbuch gewesen sei, er fügt jedoch hinzu, daß sie mehr als das ist: Sie ist, als geoffenbarte Gesetzgebung, ein «göttliches Buch», dessen Gesetze, Verbote und Gebote ihrer göttlichen Herkunft wegen keine Verkürzung gestatten. Die Halacha bleibt beim Aufklärer Mendelssohn intakt und auch aktuell gültig. Ohne Abstriche müssen sämtliche 613 Gebote und Verbote der Tora, die in