64 Moses und die Tora
in punktiertem biblischem Hebräisch, Versform ist der Alexandriner mit Endreim, die Strophe zu sechs Versen.
Schon 1795 erschien eine von Wessely autorisierte deutsche Übersetzung der ersten vier Gesänge mit einem deutschen Vorwort und Anmerkungen von Wessely selbst in Berlin unter dem Titel Die Moseide in achtzehn Gesaen- gen. Der Inhalt dieses Epos ist, wie der Titel sagt, die Geschichte des Moses und des jüdischen Volkes von der Geburt des Mose in der Sklaverei in Ägypten über den Exodus bis zur Gesetzgebung auf dem Sinai. Die deutsche Übersetzung, die ich im folgenden zitieren werde, umfaßt die ersten vier Gesänge und die Handlung von der Geburt über die Flucht nach Midian bis zu den Klagen der Israeliten unter der ägyptischen Fron.
Wessely würdigt Moses bisweilen ganz konventionell als Propheten, später auch als Gesetzgeber, immer jedoch als historische Figur und als «Held». Moses gerät Wessely zum Helden eines Heldenepos in biblischem Hebräisch, das der jüdische Aufklärer als Sprache seiner Dichtung gebraucht, weil er wie Mendelssohn und andere Maskilim das Jiddische, das Aramäische und das rabbinische Hebräisch als verdorbene und unreine, der Aufklärung des jüdischen Volkes unwürdige Sprachen empfindet. Biblisches Hebräisch als die reine Ursprache des jüdischen Volkes soll die Klarheit des Denkens, soll Aufklärung und Bildung fördern und ästhetisches Wohlgefallen auslösen. In der von Wessely autorisierten deutschen Übersetzung lautet das Bekenntnis zum hebräischen Heldenlied so:
«Dann wird, wer meinem Liede horcht, sich freu’n, des Harms vergessen.
Das Lied wird seinem Geist, was Oel der Lampe, sein,
Das sie, noch glimmend kaum, hoch wieder flammen macht.
Denn Deine Allmacht sing’ ich, singe Deine Wunder,
Besing’ die Grösse deines Mose unter den Propheten.
Der Vorwelt Räthsel löset auf mein Lied.» 70