«Aedler Held»: Naftali Hartwig Wessely 67
tet eine Moseide in biblischem Hebräisch eine Option für die Sprache und den Inhalt der Tora, Moses ist eine jüdische Gegenfigur zum Jesus des Messias und des Neuen Testaments.
Innerjüdisch aber ist die Wahl der heiligen Sprache des Tora-Hebräisch, die nach rabbinischer Tradition nicht als Alltagssprache mißbraucht werden durfte, für ein solches Heldenepos wie die Moseide ein Tabubruch. Denn unausgesprochen ist der Gebrauch des biblischen Hebräisch eine Option gegen das Aramäisch des Talmud und gegen das Talmud-Lernen in Jiddisch. Wessely praktiziert hier, gegen die rabbinische Tradition, wenn auch mit religiösem Eifer und Absichten, eine Art des literarischen Bibli- zismus. Die literarische Verarbeitung des Moses-Stoffes durch ein Heldenepos in biblischem Hebräisch stellt eine rabbinisch traditionswidrige Ästhetisierung der Moses-Figur dar. Und Wessely wußte genau, daß er ein Neuerer war; er wußte auch, was er da durch den ästhetischen Gebrauch, aber religiös gesehen: Mißbrauch der heiligen Sprache tat, auch wenn er dies nicht ausdrücklich bekennt.
Ausdrücklich wird der offene Bruch mit dem Talmud und der Halacha unter Rückbezug auf die hebräische Bibel als der Quelle des Judentums schlechthin erst in der zweiten Generation der Maskilim nach Mendelssohn und Wessely vollzogen. Denn in der zweiten Generation der Maskilim wird eine Veränderung der jüdischen Religion selbst gefordert. Nicht mehr die Ergänzung von halachi- schem Judentum und Aufklärung, sondern Veränderung des Judentums im Namen von Emanzipation und Aufklärung wird zum Programm. Bei Saul Ascher, Lazarus Ben- david oder David Friedländer steht die Kritik am Talmud bei gleichzeitigem Rückbezug auf den Tanach, also die hebräische Bibel, für den Bruch mit der als modernitätswidrig, emanzipationshinderlich und erstarrt erscheinenden rabbinischen Tradition. Die zweite Generation der Maskilim, sofern sie nicht vollkommen antireligiös optiert