68 Moses und die Tora
wie Moses Hirschei 73 und Salomon Maimon, argumentiert biblizistisch gegen die rabbinische Tradition. Hierin konvergiert sie nicht zufällig, sondern analog zu dessen Leitmotto sola scriptum, mit dem in der deutschen Aufklärung vorherrschenden Protestantismus lutherischer Prägung. Der anti-talmudische jüdische Biblizismus der Moderne von Salomon Ludwig Steinheim bis Martin Buber hat seine Anfänge in der Haskala.
5. Geschäftsträger: Saul Ascher
Ausdrücklich in der Tradition des Protestantismus steht Saul Ascher, wenn er in seinem Buch Leviathan oder Lieber Religion in Rücksicht des Judenthums von 1792 eine «Reformation» des Judentums fordert, eine Befreiung vom vormodernen Ballast halachischer Traditionen. Keine zehn Jahre nach dem Erscheinen von Mendelssohns Jerusalem und nur sechs Jahre nach dessen Tod fordert ein Maskil, was Mendelssohn um jeden Preis vermeiden wollte: eine Reformation der jüdischen Religion im Namen der jüdischen Aufklärung. Ascher setzt sich dazu in seinem Buch direkt mit Mendelssohns Jerusalem auseinander, aber er bezieht sich auch auf Maimonides und, besonders positiv, auf Spinozas Tractatus theologico-politi- cus . 74 Seine Forderung nach Reformation des Judentums zielt jedoch nicht nur auf den Bruch mit der rabbinischen Tradition, sondern greift mit ihrer Kritik auch die Tora des Mose selbst und ihren Status als Offenbarung an.
Denn Ascher ist, wie beinahe alle Maskilim der zweiten Generation, ein Erbe Mendelssohns, aber nicht sein Schüler. Die intellektuell und religiös rebellischen Söhne des «Vaters» der Haskala: Markus Herz, Saul Ascher, Isaak Euchel, Lazarus Bendavid oder Salomon Maimon sind philosophisch keine Mendelssohnianer, sondern Kantianer. 75 Bei Ascher äußert sich dies so, daß für ihn Religion überhaupt letztlich Menschenwerk ist und dem Primat