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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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74 Moses und die Tora

gewordenen Teile des Zeremonialgesetzes abzuschaffen. Wiederum im protestantisch-traditionswidrigen Rekurs auf allein die Bibel als religiöse Quelle fordert er, die Schalen der rabbinischen Tradition abzuwerfen, den Tal­mud als bloßen Zaun um die Tora umzureißen und zur eigentlichen Lehre der Tora des Mose zurückzukehren. Die Tora identifiziert Bendavid kühn mit natürlicher Reli­gion, und im Geiste von natürlicher Religion und Näch­stenliebe sollen Juden in der bürgerlichen Gesellschaft und im Staat gute Bürger und glückliche Menschen sein:

«Drehet das Blat um! Wie ganz anders muß es da aus­sehn. Der Staat will euch wohl, will euer Bestes, und ihr zeugt euch seiner Güte würdig; ihr schaffet alles sinnlose Ceremonialgesetz ab, sagt euren Kindern, was ihr alle sehr wohl wißt, daß es nur als Zaun um den eigentlichen Garten eingesetzt worden sey; daß das, was für den Skla­vensinn voriger Jahrhunderte ein gar bequemes Mittel zur Schonung des Innern gewesen, jetzt nicht mehr passe, noch sich ausüben lasse; daß ihr den Zaun aufgeben wollt, wenn das Innere unangetastet bleibt, und gestehet ihnen, daß die reine Lehre Mosis, die Lehre der natür­lichen Religion, das Fußgestell eures Glaubens sey.

Hütet das Innere der Religion durch Besserung des In­nern im Menschen. Lehret eure Kinder Menschenliebe, flößt ihnen die, nach dem Ausspruche Hilleis, größte Lehre unserer Religion, den Grundsatz: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, mit der Muttermilch ein; zeigt euch der Welt, wie der Allvater euch haben wollte, als ge­nügsame und friedfertige Menschen, als Glaubensgenos­sen eines ... gütigen, ewigen Wesens, das alle Menschen erschaffen hat, alle erhält, in alle das Gefühl gelegt hat, es zu erkennen, und in seine herrliche Welt den Zauber ge­legt hat, der uns zur Anbetung hinreißt .» 85

Bendavid reduziert hier die rabbinische Tradition auf den Pentateuch, und den Pentateuch wiederum auf die natürliche Religion des Moses und allgemeine Humanität. Mehr hat die Figur des Moses diesem Maskil nicht zu sa-