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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
75
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Lehrer der natürlichen Religion: Lazarus Bendavid 75

gen. Salomon Maimon schließlich, wie sein Freund Ben­david ein Kantianer, hat für Traditionalisten und religiöse Tradition nur noch Spott übrig. Salomon Maimons Lebensgeschichte von 1792/93 liest sich in ihrem ersten Teil wie eine bisweilen von satirischen Exkursen und Anekdoten unterbrochene, ethnographische Beschreibung des zurückgebliebenen und zurückgelassenen rabbinischen Judentums in Osteuropa, von wo Maimon nach Berlin, in die Hauptstadt der jüdischen Aufklärung, floh. Maimon selbst bekennt sich als Jude, aber als ungläubiger aufge­klärter Jude. Obwohl sich Schlomo Ben Joschua in Berlin wegen seiner Bewunderung für Maimonides Salomon Maimon nennt und die wichtigsten Lehren des Maimoni­des vor seiner christlichen Leserschaft ausbreitet, schreibt er in seiner Lebensgeschichte, er habe die 13 Ikkarim, jene 13 Glaubenssätze des Jigdal, die hier eingangs er­wähnt wurden, «mit philosophischen Gründen» angegrif­fen. Die handschriftliche Niederschrift dieses Angriffs habe er dann Mendelssohn übergeben. Das stellte sicher­lich einen Akt der Provokation dar, denn alle Welt wußte um dessen Rechtgläubigkeit. Mendelssohn ließ sich je­doch gar nicht provozieren, reagierte milde und freund­lich und sah sich keineswegs zu einer philosophischen Diskussion genötigt, 86 entsprach es doch seiner eigenen Position, daß die meisten Glaubensartikel des Jigdal phi­losophisch nicht demonstrierbar, also angreifbar sind und als nicht-metaphysische Geschichtswahrheiten lediglich «auf Glauben» angenommen werden können.

Für den radikalsten aller Maskilim, für Salomon Mai­mon, der sich als einer der ersten Juden Europas öffent­lich zu einem irreligiösen Judesein bekannte, war Moses weder ein Prophet noch ein aktuell maßgeblicher Gesetz­geber noch ein Held noch der Geschäftsträger eines unge- glaubten Gottes. Immerhin hat weder Salomon Maimon noch irgendein anderer Maskil Moses als Betrüger be­zeichnet, nämlich als den ersten der drei großen Religions­betrüger Moses, Jesus und Mohammed, wie dies im An-