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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
76
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76 Moses und die Tora

Schluß an den 1753 anonym veröffentlichten, libertinisti- schen Traktat De tribus impostoribus 87 in Kreisen von Freidenkern im 18. Jahrhundert durchaus verbreitet war. 88 Aber diese extreme Konsequenz zu ziehen, Moses des Be­trugs zu zeihen und die Tora als einen Betrugsfall zu dekla­rieren, hätte in die Irreligiosität geführt und das Programm der Haskala gesprengt: Aufklärer zu sein und Jude zu blei­ben.

7. Nachspiel: Moses im aufgeklärten Kinderbuch

Am Ende der Haskala im deutschsprachigen Raum, und durch deren Erfolge, erfährt das Verständnis der Moses- Figur eine weitere Wandlung. An Respekt gegenüber der Figur des Moses hatte es den Maskilim nie gefehlt, dieser Respekt vor der Persönlichkeit und historischen Leistung des Moses findet sich schließlich noch bis zu Freuds Der Mann Moses und die monotheistische Religion (1938), ungeachtet der Behauptung dort, daß Moses ein Ägypter war. Der Respekt hat auch alle Wandlungen im Verständ­nis der Figur des Moses überdauert. Der Prophet Moses genoß allerdings einen anderen Respekt als der Gesetz­geber Moses, nämlich religiösen Respekt, während viele Maskilim ihm auch Respekt aufgrund seiner historischen Bedeutung zollten. Auch die Ästhetisierung der Moses- Figur bei Wessely bezeugt den religiösen, moralischen und historischen Respekt für die Persönlichkeit des Moses, welcher bei Wessely die Grundlage des ästhetischen Inter­esses ebenso wie der Heroisierung ist.

Es gehört indessen zur Dialektik solcher Ästhetisierung der Figur Moses, daß ihre Persönlichkeit in dem Maße be­deutsamer wird, wie ihre religiöse Funktion als Prophet und Vermittler der Tora an Bedeutung verliert und in Frage gestellt wird. In dem Maße, wie die Tora vom Sinai nicht mehr buchstabengetreu tradiert, bewahrt und als re­ligiös-moralisches Gesetz aller Dinge befolgt werden muß,