78 Moses und die Tora
bräisch hingegen mußte und sollte wie eine Fremdsprache gelernt werden. Kenntnisse der Tora hatten die Schüler oft gar nicht mehr, weil die traditionelle Talmud-Tora am Ort nicht mehr existierte, von den Eltern dieser Unterricht abgelehnt wurde und in den jüdischen Familien die Kinder keine Tora mehr lernten. Das machte es, so die Überzeugung des Übersetzers und Pädagogen David Samostz, notwendig, den Schülern jüdischen Religionsunterricht zu erteilen, in welchem sie mit den «Hauptbegebenheiten» der hebräischen Bibel bekannt gemacht werden und auch so viel Hebräisch lernen, daß sie die Tora zumindest abschnittsweise im Urtext zu lesen vermögen.
Zu diesem doppelten Zweck wählte Samostz aus Johann Hübners Zweymahl zwey und fünffzig auserlesene biblische Historien (1713), der populärsten protestantischen Sammlung von für Kinder nacherzählten biblischen Geschichten des Alten und Neuen Testaments im 18. und 19. Jahrhundert, etliche biblische Historien aus dem Tanach aus. Diese Auswahl von deutschsprachigen, von einem Protestanten nacherzählten Historien nach der hebräischen Bibel, die den Zeitraum von der Weltschöpfung bis zu den Makkabäern umfaßt, übersetzte Samostz in ein leichtes Hebräisch, versah die Texte noch mit Fragen und brachte das Ganze zweisprachig unter dem Titel Nahar Mi’Eden («Der Strom aus Eden») oder Biblische Erzählungen nach Hübner 1831 in Breslau zum Druck. 89 Jüdische Kinder lernten hier Bibel und Hebräisch also nach einer kindgerechten und höchst populären christlichen Nacherzählung biblischer Historien, unter Auslassung der Apokryphen und des Neuen Testaments natürlich. Diese Übersetzung und Transposition war übrigens kein ungewöhnlicher Schritt. Fast alle hebräischen Kinderbücher sind Übersetzungen oder Adaptationen christlich-aufgeklärter Kinderbücher. Aber hier handelte es sich immerhin um religiöse Texte. Samostz begründet dieses Unternehmen so:
«Da der größte Teil der israelitischen Jugend mit dem Studium der schönen Wissenschaften beschäftigt ist und