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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
79
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Nachspiel: Moses im aufgeklärten Kinderbuch 79

leider die Bibel aus dem Urtexte zu studieren vernachläs­sigt, so daß viele die wichtigsten Ereignisse nicht einmal dem Namen nach kennen, so habe ich für zweckmäßig gefunden, dieses allgemein beliebte Werk [von Hübner], nämlich die Hauptbegebenheiten aus dem Alten Testa­ment ins Hebräische zu übertragen .» 90

Hier hat sich durch die Haskala die Ausgangssituation und der Umgang mit der Tora seit Mendelssohns Penta­teuch-Übersetzung ins Deutsche stark verändert: Auch Mendelssohns Übersetzung hatte pädagogische Absichten, nämlich konkret die Erziehung seiner Söhne durch Ver­mittlung von Tora-Kenntnissen, im weiteren die Heran­führung breiter jüdischer Kreise an die deutsche Sprache und Kultur. Aber seine Voraussetzung war, daß die Leser, auch die jungen Leser, die Tora im hebräischen Urtext und komplett lesen können und sollen. Die Übersetzung kann diesen Zugang erleichtern und zugleich das Erlernen des Hochdeutschen unter den Maskilim fördern. Aber es wird selbstverständlich die ganze Tora geboten und über­setzt, sowie ein Kommentar beigefügt. Bei Samostz, fünf Jahrzehnte der Akkulturation an die deutsche Mehrheits­kultur später, ist Deutsch die Muttersprache der Leser, weder Hebräisch noch die Bibel sind ihnen vertraut. Tora- Lernen ist reduziert auf moralisch und pädagogisch wert­volle biblische Historien, ausgewählt und deutsch neu er­zählt von einem Christen, ohne Kommentar in leicht zu lernendes Hebräisch übersetzt und zweisprachig gedruckt. Der ideale Leser kommt nicht vom hebräischen Urtext her, sondern soll am Ende der Haskala wieder zu ihm hingeführt werden. Diente die Pentateuch-Übersetzung Mendelssohns der Hinführung ihrer Leser an die Aufklä­rung, so dient hingegen die Übersetzung der biblischen Historien ins Hebräische der Bewahrung der jüdischen Identität von Kindern und Jugendlichen durch Rückfüh­rung auf die biblischen Quellen angesichts fortgeschritte­ner Akkulturation an die christliche Mehrheitsgesell­schaft.