Vom Nutzen der Geschichte: Isaak Euchel 89
den und in hebräischer Sprache geschrieben. Die Beschäftigung mit Geschichte bringt nach Ansicht Euchels vierfachen Nutzen: philosophischen, literarischen, politischen und moralischen. Unter dem literarischen Nutzen der Historie führt Euchel als Literatur die Bibel, die Mischna und den Talmud an. Kern der Aussage ist: Auch den frommen, traditionell gesinnten Juden, die tagaus tagein die heiligen Schriften lernen, sind historische Kenntnisse von Nutzen, denn sie verstehen diese Schriften dann besser in ihrem jeweiligen historischen Kontext. Euchel schreibt:
«Der zweite Nutzen ist der literarische, da einige Schriften der Bibel und einige Kapitel der Mischna und desgleichen auch Artikel des Talmud jenen nicht verständlich sind, die in den Wissenschaften und jenen Kenntnissen fremd sind.» ... Viele der Schriften unserer Weisen, deren Absicht dem Leser unbekannt sind, da sie doch auf den Wissenschaften fußen, werden klar vor Dir wie das Licht des Himmels erstrahlen, wenn Du Dich um die Wissenschaften bemühst. Doch möge der geschätzte Leser nicht glauben, daß es meine Absicht sei, viele der Großen unseres Volkes zu verleumden, die nicht den Pfaden jener Wissenschaften folgten, niemals !» 111
Von Haß auf den Talmud kann hier überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil, Euchel schreibt den Rabbinen, die den Talmud verfaßten, Weisheit und Verstand zu. Sie stehen hoch in seiner Achtung und gehören zu den «Großen» des jüdischen Volkes. Euchel will auch die Traditionalisten oder zumindest aus ihren Kreisen stammende Wahrheitssucher für die Aufklärung gewinnen. Er verdammt die Tradition nicht, sondern preist lediglich den Vorteil aufgeklärter Geschichtskenntnisse, ihren literarischen Nutzen für noch die frommste Lektüre der heiligen Schriften von Bibel und Talmud.
Allerdings haben Euchels Ausführungen einen Haken und eine Pointe. Der Haken ist, daß noch den Frommen und Gelehrten die aufgeklärte Beschäftigung mit der Geschichte zum besseren Verständnis von Bibel, Mischna