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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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92 Das Verhältnis der Maskilim zum Talmud

mit dem Namen Ploni («Rav Soundso»), der im Verlauf des Gesprächs seine ganze Unbildung verrät und von den beiden Philosophen verspottet und vorgeführt wird.

Hinsichtlich der Talmud-Ausbildung von Knaben zieht Euchel dieselben Konsequenzen wie vor ihm schon Wes­sely. In einem handschriftlichen Schreiben an den däni­schen König von 1784 schlägt er die Gründung einer jü­dischen Schule in Kiel vor und legt auch einen Lehrplan für diese Schule bei. 116 Auch hier ist der Talmudunterricht zugunsten profaner Wissensvermittlung stark zeitlich be­grenzt. Allerdings wurde diese Schule in Kiel nie eröffnet. Euchel blieb deswegen Hauslehrer, Korrektor im Verlag der Jüdischen Freyschule und Herausgeber des Meassef in Berlin. 117

3. Jüdischer Hausvater und jüdischer Voltaire:

David Friedländer und Moses Hirschei

David Friedländer war nach dem Tode Mendelssohns der führende politische Kopf der Berliner Haskala. 118 Er er­läutert seine Haltung zum Talmud in einer Beilage zu Ha- Meassef im Jahr 1788. Anlaß ist eine «moralische Rede» des Rabbiners Eleasar Flekels aus Prag, der Wessely ver­ketzert hatte. Flekels hat in dieser Rede Friedländers Ge­betbuch Gebete der Juden von 1786, in dem Friedländer und andere Mitarbeiter die wichtigsten jüdischen Gebete aus dem Hebräischen ins Hochdeutsche übersetzt hatten, kritisiert und die Übersetzung als religiös verfehlte und traditionswidrige Tat verurteilt.

Friedländer beabsichtigt, wie er schreibt, gar nicht, Fle­kels Auslassungen zu widerlegen. Vielmehr will er dessen Drohungen, Verwerfungen und Attacken gegen die deut­sche Übersetzung des Gebetbuchs für sich selbst sprechen lassen, denn er ist sich sicher, daß die Leser von HaMeas- sef sich selbst ein Urteil über die Rede von Flekels und über die ebenfalls mitabgedruckte, zustimmende rabbini-