92 Das Verhältnis der Maskilim zum Talmud
mit dem Namen Ploni («Rav Soundso»), der im Verlauf des Gesprächs seine ganze Unbildung verrät und von den beiden Philosophen verspottet und vorgeführt wird.
Hinsichtlich der Talmud-Ausbildung von Knaben zieht Euchel dieselben Konsequenzen wie vor ihm schon Wessely. In einem handschriftlichen Schreiben an den dänischen König von 1784 schlägt er die Gründung einer jüdischen Schule in Kiel vor und legt auch einen Lehrplan für diese Schule bei. 116 Auch hier ist der Talmudunterricht zugunsten profaner Wissensvermittlung stark zeitlich begrenzt. Allerdings wurde diese Schule in Kiel nie eröffnet. Euchel blieb deswegen Hauslehrer, Korrektor im Verlag der Jüdischen Freyschule und Herausgeber des Me’assef in Berlin. 117
3. Jüdischer Hausvater und jüdischer Voltaire:
David Friedländer und Moses Hirschei
David Friedländer war nach dem Tode Mendelssohns der führende politische Kopf der Berliner Haskala. 118 Er erläutert seine Haltung zum Talmud in einer Beilage zu Ha- Me’assef im Jahr 1788. Anlaß ist eine «moralische Rede» des Rabbiners Eleasar Flekels aus Prag, der Wessely verketzert hatte. Flekels hat in dieser Rede Friedländers Gebetbuch Gebete der Juden von 1786, in dem Friedländer und andere Mitarbeiter die wichtigsten jüdischen Gebete aus dem Hebräischen ins Hochdeutsche übersetzt hatten, kritisiert und die Übersetzung als religiös verfehlte und traditionswidrige Tat verurteilt.
Friedländer beabsichtigt, wie er schreibt, gar nicht, Flekels’ Auslassungen zu widerlegen. Vielmehr will er dessen Drohungen, Verwerfungen und Attacken gegen die deutsche Übersetzung des Gebetbuchs für sich selbst sprechen lassen, denn er ist sich sicher, daß die Leser von HaMe’as- sef sich selbst ein Urteil über die Rede von Flekels und über die ebenfalls mitabgedruckte, zustimmende rabbini-