98 Das Verhältnis der Maskilim zum Talmud
nisvollen Erklärung bedürfen, nicht in ihren Vortrag mischen, oder zum Grund ihrer moralischen Reden legen; und zwar aus mehr als einer Furcht, aus mehr als einer Ursache, weil entweder dergleichen Thesen von dem Zuhörer, nicht verstanden oder halb verstanden, die Fundamente der Religion untergraben, und sie in Schwärmereien und Aberglauben stürzen können; oder weil diese Lehren wörtlich verstanden, Spott, Leichtsinn und Irreligion ausbreiten, und noch schädlichere Folgen haben müssen.
Von solchen Folgen, weiß Rabbi Elazar Flekels nicht allein nichts; sondern er nimmt wirklich und in allem Ernst die Worte des Talmuds in gemeinem Sinn, ohne zu bedenken, daß sie mit den Grundsätzen der Religion gar nicht zu vereinen sind, und daß er dadurch dem Talmud einen unersetzlichen Schaden thut .» 130 Kurz gesagt: Man muß den Talmud vor den Rabbinern schützen, damit er nicht auch noch als historisches Dokument Schaden nimmt, wenn er schon in der Gegenwart unbrauchbar geworden ist. Wer ihn immer noch ernst nimmt wie der Rabbiner Flekels, schadet dem Judentum und den Juden der Gegenwart.
Dem Eiferer Hirschei geht diese gelassene und überlegene Abfertigung des Talmud als historischer Quelle und der Rabbiner als deren berufenen Auslegern nicht weit genug. Für ihn verdankt sich die Unverständlichkeit des Talmud nicht seinem historischen Alter, sondern den üblen Absichten seiner Verfasser. Die Unvernunft des Talmud hat Methode und ist Ausdruck eines monopolistischen Herrschaftswillens schon der antiken Rabbinen. Einen Beweis für diese rüde Anschuldigung bleibt Hirschei allerdings schuldig. Ein solcher Beweis hätte ihn allerdings auch zu einer historisch fundierten Argumentation genötigt und damit in eben die Logik der Historisierung gebracht, die Friedländer so gelassen anpeilte. Wenn es einen Autor gibt, für den die Behauptung vom Talmud-Haß der Maskilim zutrifft, so ist dies Moses Hirschei. Aber