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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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Das Verhältnis der Maskilim zum Talmud

und Talmudisten sowohl gegen die christlichen Talmud- Hasser, von denen er beispielhaft Eisenmenger nennt, als auch gegen aufgeklärte Juden, die Vorurteile, aber keine wirkliche Talmud-Kenntnis haben.

Diese Verteidigung nimmt in Salomon Maimons Le­bensgeschichte breiten Platz ein, und zwar in der autobio­graphischen Schilderung ebenso wie in den Erklärungen zum Judentum allgemein. Sie ist folglich kein Neben­thema, sondern ein wichtiges Anliegen Maimons, der seine Ausführungen an einer Stelle mit dem Hinweis auf die Begrenztheiten einer Autobiographie und die große Anzahl von Talmud-Feinden abschließt: «Ich müßte ein Buch schreiben, wenn ich alle die ungerechten Beschuldi­gungen und Verspottungen, die sowohl von christlichen Autoren als selbst von den aufgeklärt sein wollenden Ju­den gegen die Talmudisten vorgebracht werden, widerle­gen sollte .» 131 Den Talmudisten wird somit auch von eini­gen Maskilim Unrecht getan. Es gibt, aus dieser Meinung macht Maimon kein Hehl, auch eine Pseudo-Haskala von «aufgeklärt sein wollenden Juden», deren Meinungen durch Kenntnisse nicht getrübt sind.

Den Meassfitn sagt er ihr Scheitern in den traditionellen jüdischen Kreisen in Osteuropa voraus - wegen mangeln­der Talmud-Kenntnis. Dort gelte nur ein guter Talmudist etwas, und den Meassfim fehle diese Qualifikation. So müsse die durchaus gute Absicht, mit der hebräischen Zeit­schrift HaMeassef die Aufklärung in das jüdische Ost­europa zu exportieren, scheitern. Maimon unterstützt das Anliegen der Meassfim und hat ja auch einige Artikel in der Zeitschrift beigesteuert, aber er macht sich über die Er­folgsaussichten der Haskala in Osteuropa keine Illusionen:

«Die jüdische Nation ist, ohne Rücksicht auf zufällige Modifikationen, eine unter dem Schein der Theokratie währende Aristokratie. Die Gelehrten, welche den Adel dieser Nation ausmachen, wußten sich seit vielen Jahr­hunderten als das gesetzgebende Korpus bei den Gemei­nen in ein solches Ansehen zu setzen, daß sie mit ihnen