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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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114 Das Verhältnis der Maskilim zum Talmud

bei weitem größten Teil der Judenheit ausmacht, die Has- kala große Schwierigkeiten bei ihrer Ausbreitung zu ge­wärtigen hat. Aber seine Hoffnung gilt den jungen, verän­derungswilligen Juden in Preußen und Österreich und der Ausbreitung der Haskala unter ihnen. Im Sinne dieser Haltung wird Bendavid 1806 Direktor der Jüdischen Freyschule in Berlin, 156 1822. außerordentliches Mitglied des Vereins für Wissenschaft und Cultur der Juden 157 und damit einer der Mitbegründer der Wissenschaft des Juden­tums.

7. Wissenschaft des Judentums: Leopold Zunz

Vollständig historisiert wird der Talmud erst durch die Wissenschaft des Judentums. Die Vollständigkeit der Hi- storisierung läßt sich daran ermessen, daß es nicht mehr nötig ist, gegen den Talmud, die Talmudisten oder den Talmud-Unterricht zu polemisieren, um die normative Geltung des Talmud zu erschüttern, das Ansehen der Tal­mudisten zu schmälern, die Ausschließlichkeit des religiö­sen Unterrichts aufzubrechen oder um für eine breiteste Allgemeinbildung jüdischer Kinder zu sorgen. Das hat die Haskala so erfolgreich besorgt, daß die Wissenschaft des Judentums nur rund 20 Jahre später ihre Erforschung der rabbinischen Literatur frei von Polemik und rein nach hi­storisch-kritischen Maßstäben betreiben kann. Und das von Anfang an.

Im Jahr 1818, also 25 Jahre nach Erscheinen von Ben- davids Etwas zur Charackteristick der Juden, aber noch ein Jahr vor Gründung des nachmals berühmten Vereins für Wissenschaft und Cultur der Juden, legte Leopold Zunz seine Erstlingsschrift Etwas über die rabbinische Li­teratur vor. Die Schrift legt so etwas wie eine Program­matik und einen Arbeitsplan für die noch gar nicht be­stehende Wissenschaft des Judentums vor. Dieser Abriß ei­ner zukünftigen Wissenschaft ist so umfassend ausgelegt,