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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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Aufklärung und Preßfreiheit 131

sie wird still neutralisiert, indem sie in der Masse der Tra­ditionsliteratur zum Verschwinden gebracht wird.

Gleiches gilt sogar für die deutschsprachigen und damit einem nicht] üdischen Publikum zugänglichen Schriften Mendelssohns. In Jerusalem werden an einer Stelle «Lorja und seine Schüler, die neueren Kabbalisten» genannt, die, wie Mendelssohn selbst, im Judentum «gar keine be­stimmte Anzahl von Fundamentallehren gelten lassen» wollen. 197 Hier paktiert er mittels einer mehr als ober­flächlichen Erwähnung sogar mit Isaak Luria, einem gali- läischen Kabbalisten des 16. Jahrhunderts, gegen Maimo- nides 13 Glaubensartikel, weil dies systematisch gut zur Gesamtargumentation von Jerusalem paßt. Auch hier be­nutzt Mendelssohn die Kabbala beliebig, er kann sie in einem Atemzug mit Maimonides, Josef Albo und, man höre und staune, Herbert von Cherbury nennen. Er nimmt dem Zitat jeden Verdacht einer grundsätzlichen Parteinahme - und damit jede Spitze. Hier hat die Has- kala die Kabbala still neutralisiert und sie, im Wissen um ihre Popularität, sogar für die Zwecke der Aufklärung in Gebrauch genommen.

3. Isaak Satanow oder Aufklärung und Preßfreiheit

Bei einem anderen Berliner Maskil ist dies auch der Fall. Isaak Satanow (1732-1804) war auf merkwürdigste Weise Kabbalist und Maskil zugleich und fällt deshalb vollkommen aus dem Rahmen unserer Erwartungen. 198 Satanows Verhältnis zur Kabbala war ebenso positiv wie das zur Haskala. Er war nicht erst Kabbalist und Chassid und dann, nach der Wende zur Haskala, wie Salomon Maimon Philosoph, er war alles zugleich. Satanow schrieb selbst kabbalistische Bücher und brachte noch mehr davon zum Druck. Denn er war, wie Jacob Emden, auch der Drucker der eigenen Bücher. Zugleich schrieb er aber auch in HaMeassef für die Maskilim. 199 Satanow