Aufklärung und Ironie 133
4. Salomon Maimon oder Aufklärung und Ironie
Anders war das bei Salomon Maimon (1754-1800), der ein viertes Modell vom Umgang jüdischer Aufklärer mit der Kabbala repräsentiert. Der Philosoph Maimon schrieb, abgesehen von seinem hebräischen Maimonides-Kom- mentar Givat HaMore 20i , zwei handschriftlich vorliegenden hebräischen Physik-Traktaten und einem bis heute unveröffentlichten kabbalistischen Frühwerk Cheschek Schlomo , 204 seine an den Philosophien Maimonides’ und Kants sich orientierenden Werke in Deutsch. 205 Seine Autobiographie Salomon Maimons Lebensgeschichte enthält neben vielem anderen die erste umfassende Darstellung von Kabbala in deutscher Sprache durch einen Juden. Wollte ein deutschsprachiger Leser der Aufklärung etwas über Kabbala wissen, dazu noch etwas aus authentischer jüdischer Quelle, konnte er in deutscher Sprache nirgendwo mehr und Besseres finden als in diesem Werk. Formal lassen sich zwei Textsorten unterscheiden, in denen in der Lebensgeschichte von Kabbala gehandelt wird. Sie entsprechen den beiden Stilebenen, zwischen denen die gesamte Lebensgeschichte Maimons schwankt: einerseits dem Stil der gelehrten, wissenschaftlichen Abhandlung und andererseits dem Stil der literarisch ambitionierten Selbstdarstellung mit Mitteln und Zitaten der zeitgenössischen Groteske, des Schelmenromans und der literarischen Autobiographie, mit Anleihen bei Rousseau, Diderot, Sterne oder Moritz, aber auch bei antiken Autoren. 206
Zum einen und als Anfang stellt das 14. Kapitel des ersten Bandes der Lebensgeschichte die Kabbala lehrhaft nach Art eines definierenden Wörterbuch-Artikels vor, zuzüglich einiger Lesefrüchte Maimons aus kabbalistischen Werken, gerade so, als habe Maimon den Eintrag auch dieses Stichwortes in sein Philosophisches Wörterbuch vergessen. Zum anderen ist das gesamte erste Buch der Lebensgeschichte durchsetzt mit Episoden der tatsäch-