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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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135
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Die Funktionalisierung der Kabbala als Esoterik 135

scher Kantianer bekannt geworden. Mendelssohns These der Vereinbarkeit von vollem Aufgeklärtsein und jüdi­scher Rechtgläubigkeit teilt er nicht mehr. Die rabbinische Tradition, Talmud und Halacha unterliegen bei Maimon genau wie die Kabbala der Kritik und ironischen Distan­zierung. Dennoch hat sich Maimon immer als Aufklärer und (allerdings nicht mehr observanter) Jude bekannt. Sein Leben ist beispielhaft nicht nur für die Westmigration von Hunderttausenden osteuropäischer Juden, sondern auch für das oft schmerzliche Zurücklassen der rabbini- schen Traditionen auf dem Weg zu einer modernen, nicht mehr religiös geprägten jüdischen Identität. 208 Am Anfang dieses Weges stehen die intellektuellen und emotionalen Leistungen der Maskilim.

5. Ephraim Joseph Hirschfeld oder die

Funktionalisierung der Kabbala als Esoterik

Ephraim Joseph Hirschfeld (ca. 1755-1820) gehört nicht im eigentlichen Sinne zur Haskala als Aufklärungsbewe­gung, er hat viele ihrer Protagonisten in Berlin jedoch ge­kannt und die Haskala sozusagen gestreift. Er war, wie auch Isaak Euchel, von 1779 bis 1781 zwei Jahre lang Tutor und Hauslehrer bei David Friedländer in Berlin und verkehrte im Hause Mendelssohns, der ihn mit Empfeh­lungsschreiben versah. Aber das blieb Episode, denn Hirschfeld zog 1782 weiter nach Innsbruck, 1785 nach Wien und trat dort einem Freimaurer-Orden bei. Das macht ihn für den Zusammenhang von Aufklärung, Kab­bala und Esoterik interessant. Denn Hirschfeld gehörte ab 1785 dem Orden der Asiatischen Brüder an, den «Brü­dern St. Johannes des Evangelisten aus Asien in Europa», dem ersten Freimaurer-Orden in Europa, dessen Satzung von 1784 dem Zweck Ausdruck gibt, Christen und Juden gleichberechtigt aufzunehmen. 209 In diesem Orden machte Hirschfeld rasch Karriere und nahm bald eine führende