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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
137
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Die Funktionalisierung der Kabbala als Esoterik 137

sehen Anmerkungen. Als kabbalistischer Text ist dieses Werk vollkommen unbedeutend und erhärtet den Ver­dacht, daß Hirschfeld im Orden der Asiatischen Brüder seine wahren oder vermeintlichen Kenntnisse der Kabbala lediglich funktionalisierte, um die esoterischen Erwartun­gen seiner mehrheitlich christlichen Ordensbrüder zu be­friedigen. Die Kabbala wurde von ihm zur Geheimlehre für die christlichen Ordensbrüder gemacht, obwohl sie das für Hirschfeld und für Juden allgemein überhaupt nicht war. Den Erfolg unter den unkundigen Freimaurern verdankten Hirschfeld und seine Kabbala dem Umstand, daß die Kabbala möglichst esoterisch war und blieb: Kab­bala als Esoterik für Dilettanten.

Dies zeichnet einen Trend noch am Ende des 2.0. Jahr­hunderts vor, wo sich Esoteriker aller Richtungen für die vermeintlichen Geheimlehren der Kabbala interessieren. Nicht selten reduziert sich ihr Interesse am Judentum ganz auf die Kabbala. Aura ersetzt Aufklärung. Denn sie scheuen die Mühe, die vermuteten Geheimnisse der Kab­bala dadurch aufzuklären, daß sie zu einem Studium der schwierigen kabbalistischen Originaltexte in den Original­sprachen Hebräisch und Aramäisch Vordringen. Leicht wird Esoterik so zum Okkultismus derjenigen, die es gar nicht besser wissen wollen: zu einer «Metaphysik der dummen Kerle ». 213