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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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140 Die Entdeckung des Chassidismus

Dieser Vorbericht Moritz zur Autobiographie seines Freundes und Proteges Salomon Maimon, die zunächst in zwei Bänden 1791 und 1793 beim Verleger Vieweg in Ber­lin erschien, präsentiert Salomon Maimons Lebensge­schichte dem deutschen Publikum als positives, nämlich lehrreiches und wichtiges Beispiel für den Aufstieg aus den ärmlichsten und drückendsten Verhältnissen zu Wis­senschaft, Bildung und Aufklärung. Der erste Band han­delt von Maimons Kindheit und von den frühen Mannes­jahren in Polen, darunter von seinem Wissen und Umgang mit der Kabbala, sowie von seiner Emigration und den Wanderjahren bis zur Niederlassung in Berlin. Der zweite Band erzählt vom Leben Maimons in den jüdischen Häu­sern und Salons Berlins sowie von seinen Reisen und Auf­enthalten in Dessau, Amsterdam und Hamburg.

Aber für Karl Philipp Moritz ist Maimons Lebensge­schichte ein Beispiel, das Aufmerksamkeit verdient, weil es nicht nur das besondere Schicksal eines einzelnen Men­schen berührt, sondern allgemein die Würde der mensch­lichen Natur zum Vorschein bringt und der sich in der Aufklärung emporarbeitenden Vernunft ein Zutrauen zu ihrer Kraft einflößt, wie Moritz emphatisch seinen Vorbe­richt abschließt. 216 Hier wird geradezu bekenntnishaft ein jüdischer Zeitgenosse und sein Lebensschicksal zwischen Polen und Berlin von einem Nichtjuden als Modellfall von Aufklärung vorgestellt. Direkter noch als Lessing, der in Nathan der Weise dem Juden Moses Mendelssohn ein literarisches Denkmal gesetzt hatte, gibt Moritz in Klar­text zu verstehen, dieser Jude, Salomon Maimon, reprä­sentiere mit seiner Lebensgeschichte das Allgemeine, näm­lich die «Würde der menschlichen Natur».

Diese Würdigung ist mutig, denn sie gilt einem Juden, der im Gegensatz zu Mendelssohn ein Außenseiter ist, auch unter den aufgeklärten Berliner Juden. Sie liest sich heute dennoch ambivalent, in ihr stecken Anerkennung und Forderung zugleich. Denn der Jude als Jude kann all­gemeingültig und beispielhaft menschliche Vernunft und