Eine doppeldeutige Widmung 141
Aufklärung vertreten. Aber er kann sie nur als aufgeklärter Jude vertreten, wenn er, per aspera ad astra, wie Salo- mon Maimon das ostjüdische Dorf oder Stetl verläßt, religiöse Orthodoxie, Unwissenheit und Aberglaube, Talmud und Kabbala dort zurückläßt und sich im aufgeklärten Deutschland Bildung und Wissenschaft aneignet. Voll emanzipiert und intellektuell anerkannt ist für Moritz «besonders zu den jetzigen Zeiten, wo die Bildung und Aufklärung der jüdischen Nation ein eigener Gegenstand des Nachdenkens geworden ist», nur derjenige Jude, der diesen beispielhaften Weg Maimons zu gehen bereit ist. Wer dagegen im Stetl und den jüdischen Traditionen bleibt, entspricht diesen Erwartungen nicht.
So direkt sagt dies Moritz natürlich nicht. Aber er stellt dem deutschen Publikum den Ausnahmefall Salomon Maimon als Modell hin, während die Regel, das Judentum Osteuropas, hinter den Ansprüchen von Aufklärung weit zurück bleibt. Diese Darstellung der Vorrede widerspricht mit Sicherheit nicht Maimons Absichten und Ansichten, denn Salomon Maimons Lebensgeschichte bestätigt diese Entgegensetzung von Ostjudentum und Aufklärung in Moritz’ Vorrede in langen Passagen. In seiner eigenen Vorrede zum zweiten Band seiner Lebensgeschichte von 1793, den Moritz nicht mehr eingeleitet hat, bekennt Maimon ausdrücklich und in aller Radikalität, daß er seine Nation, sein Vaterland und seine Familie in Polen verlassen habe, um nach der Wahrheit zu suchen und als Philosoph zu leben, dort, wo er das konnte: Im Westen, in Deutschland, in Berlin.
Wie es ihm dort bei den Aufgeklärten ergeht, und daß der Aufklärungs-Optimismus von Moritz in seinem Vorbericht zum ersten Band sich nachträglich als nicht so sehr gerechtfertigt erweist, weil der Selbstdenker Maimon, nachdem er in der Aufklärung angekommen ist, auch dort überall aneckt, erzählt der zweite Band der Lebensgeschichte. Während nämlich der erste Band der Lebensgeschichte ziemlich die Geschichte einer erfolgreichen in-