142. Die Entdeckung des Chassidismus
tellektuellen Entwicklung und Emanzipation schildert, hält der zweite Band nur zu deutlich die gesellschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten des unangepaßten, ar- 1 beitsunwilligen und religiös unorthodoxen Maimon im aufgeklärten Berlin fest. Er findet Anerkennung als Philosoph, wird jedoch sozial, besonders innerhalb der jüdischen Minorität, die ihn jahrelang förderte und schützte, immer einsamer. In dieser Hinsicht ist seine Lebensgeschichte nicht nur eine Erfolgsgeschichte.
Dennoch hatte Moritz vollkommen recht, die Erstmaligkeit und Einmaligkeit von Maimons Schilderung des osteuropäischen Judentums im ersten Band der Lebensgeschichte hervorzuheben, die unter Juden und vor allem unter Nichtjuden Deutschlands das Bild des Stetl für Jahrzehnte prägen sollte. Wird doch Salomon Maimons Lebensgeschichte von Moritz als «eine unparteiische und vorurteilsfreie Darstellung des Judentums, von der man wohl mit Grunde behaupten kann, daß sie die erste in ihrer Art ist» präsentiert . 217 Unparteiisch und vorurteilsfrei, so die Behauptung Moritz’, wird hier das Judentum Osteuropas dargestellt, ein authentisches Judentum im vor-aufgeklärten Naturzustand sozusagen, wie es den aufgeklärten deutschen Lesern nie zuvor geschildert worden war, ein fremdes Volk unter erbärmlichsten Umständen in j einem fremden Land, in Armut, Aberglaube und Unwissenheit. Maimon schildert die Alltagswirklichkeit von Juden in Osteuropa: den Hunger, die Verrohung und den Alkoholismus der jüdischen Pächter und Kleinhändler, die Unbildung des Adels und der christlichen Landbevölkerung, die absolute Rechtlosigkeit der Juden, die es polnischen Adligen erlaubte, einen Juden auf offener Straße aus einer Laune heraus und straflos über den Haufen zu schießen, aber auch Tora-Frömmigkeit bis zum Fanatismus, jüdischen Aberglauben und Volksreligiosität, Frühverheiratung und chassidische Freudentänze.
Sicherlich bot dies ein sinnenfälliges Kontrastbild zu den ja auch im zweiten Band der Lebensgeschichte vor-