Chassidismus und Haskala
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Chassidim, deren Volksreligiosität in den Augen der Mit- nagdim häufig den Aberglauben streifte. Im Grunde aber hat sich der Chassidismus, von dem Maimon sagt, daß er eine der «größten Revolutionen» - Maimon schreibt dies vier Jahre nach der französischen Revolution -, nämlich eine radikale, religiös-spirituelle Veränderung des rabbini- schen Judentums hätte bedeuten können, am Ende durch die moralisch und halachisch anstößigen Übertreibungen seiner Anhänger selbst desavouiert und zerstört.
«Einige darunter, die sich als echte Zyniker [Kyniker] zeigen wollten, verletzten alle Gesetze des Wohlstandes, liefen auf öffentlicher Straße nackend herum, verrichteten in Gegenwart anderer ihre natürlichen Bedürfnisse u. dergl. Durch ihr Extemporieren (dem Prinzip der Selbstvernichtung zufolge) brachten sie in ihren Predigten allerhand närrisches, unverständliches Zeug hervor. Einige wurden dadurch wahnwitzig, so daß sie glaubten, in der Tat nicht mehr zu existieren. Endlich kamen noch ihr Stolz und Verachtung gegen andre, die nicht von ihrer Sekte waren, besonders gegen die Rabbiner hinzu, die, obschon sie ihre Mängel hatten, dennoch weit tätiger und brauchbarer waren als diese unwissenden Müßiggänger.
Man fing an, ihre Schwächen aufzudecken, ihre Zusammenkünfte zu stören und sie überall zu verfolgen. Dieses wurde vorzüglich durch die Autorität eines berühmten, bei der Judenschaft in großem Ansehn stehenden Rabbiners, Elias aus Wilna, bewerkstelligt; so daß man jetzt kaum einige hin und wieder zerstreute Spuren von dieser Gesellschaft findet.» 234
3- Chassidismus und Haskala
In merkwürdiger Übereinstimmung, wenngleich gegen- strebig, entstanden sowohl der Chassidismus als auch die Haskala angesichts eines als erstarrt empfundenen hala- chischen Judentums. Beide Bewegungen begannen fast