Mendelssohn, Maimon und die Haskala 217
gleichgültig, «daß, da ich heute kein Feuer angreifen darf, auch mich das Feuer nicht angreifen wird,» dabei hatte er aber eine brennende Pfeiffe im Munde.» 370
Wie in dieser Anekdote ist der antinomistische, antireligiöse Tabubruch mit humoristischer Pointe geradezu Prinzip des jüdischen Diogenes, der als kritischer Philosoph wenig weiß und nichts glaubt, aber ungeniert seine sinnlichen Bedürfnisse stillt. Die Frage nach der Existenz Gottes und der Unsterblichkeit wehrt er ab: Die Philosophen können in diesen Fragen nichts wissen, etwas zu wissen vorzugeben, ist Anmaßung. Und Diogenes glaubt nur seinem knurrenden Magen. Maimon hat diese Haltung bis zu seinem frühen Tod am 22. November 1800, bis in seinen Todeskampf durchgehalten, als der Prediger Tscheg- gey aus Freistadt in Schlesien mit dem todkranken Mainion wieder über die Unsterblichkeit der Seele spricht. «Ach, das sind schöne Träume und Hoffnungen», antwortet Maimon abwehrend. 371 Als er gestorben ist, verweigert die jüdische Gemeinde seine Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Glogau. Wie und wo er begraben wurde, wissen wir so wenig wie beim Diogenes von Athen. Der jüdische Sokrates Mendelssohn hingegen hat in Berlin ein ehrenvolles Begräbnis auf dem jüdischen Friedhof an der Großen Hamburger Straße erfahren, mit einem großen Grabstein und vielen Nachrufen von Christen und Juden in allen Berliner Blättern.
5 - Mendelssohn, Maimon und die Haskala
Daß Maimon, wenngleich als Außenseiter und nicht im- nier konsequent, der Berliner Haskala sozial, intellektuell und diskursiv zugehörte, die durch das Wirken einer Figur wie Mendelssohn geprägt und nachgerade überdeterminiert war, unterliegt keinem Zweifel: Wie alle anderen Maskilim in Berlin hatte Maimon seit seiner Kindheit eine große Vertrautheit mit der rabbinischen Tradition und der